Gnade mit "Märtyrer" Mosley - Tomczyk: Nicht spekulieren

Bologna/Hamburg - Die Rebellen verzichteten auf den öffentlichen Triumph-Genuss, die Presse kostete die Niederlage von "Märtyrer" Max Mosley dagegen aus.
"Montezemolo verließ den Place de la Concorde mit Mosleys Kopf", schrieb die italienische "Gazzetta dello Sport" am Donnerstag. "Die Ära Mosley ist vorbei. Die Formel 1 schließt Frieden, nachdem die Autofirmen ihre Ziele erreicht haben", meinte Spaniens "El Mundo". Doch am Tag eins nach dem Frieden von Paris und der Rettung der Formel 1 mit der völligen Kapitulation des FIA-Präsidenten Mosley vor der Teamvereinigung FOTA begann vor allem das Rätselraten um die Nachfolge des im Oktober scheidenden Briten. Der Deutsche Hermann Tomczyk will sich an den Spekulationen nicht beteiligen.
Das sagte am Donnerstag ein Sprecher des ADAC , bei dem der Rosenheimer Motorsport-Präsident ist, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Klar dürfte sein, dass Tomczyk selbst auch jetzt keine Ambitionen hat. Schon vor einem Jahr, als sich Mosley infolge der Video-Sexaffäre massiven Rücktrittsforderungen ausgesetzt gesehen hatte, hatte der Deutsche erklärt, dass das Amt nicht sein Ziel sei. Als einer der heißesten Kandidaten wird Jean Todt gehandelt. "Ich will ihn nicht ausschließen", sagte Mosley in einem Interview auf der Homepage des Fachmagazins "auto, motor und sport". FOTA-Vizepräsident John Howett von Toyota stellte aber am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Bologna klar: "Wir würden gern einen Unabhängigen, der vielleicht unabhängig von uns allen ist, sowohl aktuell als auch historisch, (an der Spitze) sehen." Ein Plädoyer für Todt würde wohl anders klingen.
Auch wenn Mosley in Sachen Formel 1 seit Mittwoch nichts mehr zu sagen hat, beim Thema Nachfolger redet er mit. "Wenn es mehr als einen Kandidaten gibt, dann werde ich eine Empfehlung abgeben", sagte der 69-Jährige. Dass der FIA-Senatspräsident Michel Boeri der neue Boss der Fédération Internationale d'Automobile FIA werden könne, glaubt Mosley nicht. Allerdings ist der Präsident des monegassischen Automobilclubs nun bei der FIA für die Formel 1 zuständig. Dies sollen sich die acht in der FOTA vereinten Teams haben zusichern lassen.
Doch die streuten nicht noch Salz in die Wunde des geschlagenen FIA-Chefs. Ferrari-Präsident Luca di Montezomolo hatte bereits am Tag der Entscheidung Mosley gelobt. "Ich denke, er hat sehr gute Arbeit geleistet, um das Problem zu lösen." BMW-Motorsportpräsident Mario Theissen analysierte in gewohnter Sachlichkeit: In den Diskussionen um die Ausrichtung der Formel 1 sei ein Durchbruch erzielt worden, was das Regelwerk und die Führung der Formel 1 angehe. "Dies ist eine sehr gute Grundlage, im nächsten Schritt auch die noch offenen kommerziellen Fragen in eine langfristige Vereinbarung umzusetzen. Das wollen wir in den nächsten Tagen tun. Wir haben damit eine klare Perspektive für eine starke Formel 1 im Interesse aller Beteiligten", meinte der Chef des Teams BMW-Sauber.
Wohl vor allem auch dank Bernie Ecclestone. "Bernie hat viel zu einer Einigung beigetragen. Ohne die Formel 1 wäre sein Leben verpfuscht gewesen", sagte Mosley. Allerdings stecken dahinter wohl weit mehr knallharte Finanzinteressen als PS-Sentimentalitäten. Die Kapitalgesellschaft CVC, bei denen Ecclestone als Geschäftsführer angestellt ist, ist im Besitz der Formel-1-Rechte, dafür hatten sie geschätzte 1,4 Milliarden Dollar auf den Tisch gelegt. Der Kredit muss abbezahlt werden. Geschätzt wird, dass jährlich rund 300 Millionen Dollar fällig sind. Bei einer Abspaltung wäre das ohne die Top-Teams kaum möglich gewesen. "Wir hätten zehn Teams zusammengekriegt, aber es wäre natürlich nicht die Formel 1 gewesen, die wir kennen", räumte Mosley selbst ein.
Der 69-jährige Brite, der nach dem Ende seiner Amtszeit im Oktober nicht mehr kandidieren wird, wies aber von sich, dass er auf den letzten Drücker die Kehrtwende zu seinem Ausstieg gemacht habe. "Mein Ausscheiden war geplant, beschlossen, arrangiert", so der FIA-Chef. Seine Belegschaft habe dies seit Monaten gewusst. Allerdings hatte er sich am Tag vor der finalen Rettung noch anders ausgedrückt. Darin hieß es angesichts der von ihm als Attacken empfundenen Vorgehensweisen der acht FOTA-Teams, dass er seine Plan abzudanken, überdenken müsse.
"Max Mosley glaubte, er sei unbesiegbar", meinte die Londoner "Times" und schrieb weiter: "Die Zeit von Max Mosley als Herrscher -und das war er - über den Weltmotorsport und die Formel 1 ist zu Ende. Wie alle Männer, die beinah unumschränkte Macht genossen, war er in Gefahr , es zu weit zu treiben, und das ist am Ende auch geschehen." Die spanische Sportzeitung "Marca" resümierte: "Es rollte der Kopf von Max Mosley, und nun kann die Formel 1 weitergehen."
Von Jens Marx, dpa