Vettel-Team entdeckt das nächste Schlupfloch

Hockenheim - Weltmeister Sebastian Vettel und sein Teamkollege Mark Webber durften beim Formel-1-Lauf auf dem Hockenheimring ihre herausgefahrenen Startplätze behalten.
Der Tag begann mit einem Schock für Sebastian Vettel, am Ende entpuppte sich der vermeintliche Skandal als Sturm im Wasserglas. Nach dreistündigen Diskussionen mit Red-Bull-Verantwortlichen entschied der Automobil-Weltverband FIA eine Stunde vor dem Rennstart, von einer Bestrafung des Weltmeister-Teams wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerung abzusehen.
Einsprüche der Rivalen waren zwar noch möglich, schienen aber nach dem ersten Urteil wenig erfolgversprechend. Während Red Bull wieder einmal als cleverer Sieger hervorging, der offenbar die Schlupflöcher der Regularien gekonnt ausreizt, war es für die FIA und vor allem ihren Technischer Delegierten Jo Bauer ein klassisches Eigentor, zumal man erklärte, dass man nicht allen Argumenten der „Bullen“ folgen konnte.
Der Deutsche hatte vier Stunden vor dem Rennstart für Aufsehen gesorgt, als er per Mitteilung erklärte, dass der RB8 von Weltmeister Vettel und Teamkollege Mark Webber (Australien) seiner Meinung nach gegen das Regelwerk verstoße. Bauer fand aber bei den Rennkommissaren keine Zustimmung. Die technischen Kniffe der „Bullen“ waren offenbar wegen nicht klar genug formulierter Regeln nicht zu bestrafen. Entsprechend gut gelaunt verließ Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach den zähen Diskussionen den Sitzungsraum.
Wer und was ist Red Bull? Und ist wirklich Stierhoden-Extrakt drin?
„Es war ein bisschen ungklücklich, diese Diskussionen zu haben. Das haben wir jetzt aber mit den Kommissaren und der FIA überstanden und freuen uns, dass unser Auto dem Reglement entspricht“, sagte Horner später in der Startaufstellung, in der sich auch Vettel ganz gelassen gab. „Es wird immer viel geredet und viel diskutiert, aber letztlich steht das Auto da“, sagte der Heppenheimer.
Als Horner gegen halb elf am Morgen die Nachricht über sein angeblich illegales Auto erreicht hatte, war ihm noch der Schock in die Glieder gefahren. Als ihm Journalisten das Schriftstück unter die Nase hielten, in dem Bauer den Vorwurf formuliert hatte, brach der Brite ein Interview ab und verließ wortlos den Raum. Auch Red-Bull-Berater Helmut Marko lief wortkarg und missmutig umher.
Von den Fahrern hatte das Team die ärgerliche Diskussion aber offenbar gut ferngehalten. „Ich wüsste nicht, dass wir irgendetwas geändert hätten“, sagte Vettel bereits bei der Fahrerpräsentation zu RTL. Dabei hatten nach Bauers Übergabe der Angelegenheit an die Rennkommissare ein Startverbot, ein Start aus der Box oder auch eine nachträgliche Disqualifikation gedroht.
Nach Bauers Ansicht waren in der verfügbaren Leistung des Red-Bull-Renault in bestimmten Drehzahlbereichen Unterschiede zu den Werten aus den vorherigen Rennen aufgetreten. Dies lasse auf einen Verstoß der technischen Regularien in Bezug auf die Aerodymanik schließen. Übersetzt hieß das: Bauer warf dem Weltmeister-Team vor, weiterhin mit einem inzwischen verbotenen angeblasenen Diffusor zu fahren. ORF-Experte Alexander Wurz verwies aber schon zu diesem Zeitpunkt darauf, dass der Nachweis schwierig sei, „weil die Paragrafen über den Diffusor Gummi-Paragraphen sind“.
Gerüchte über die angebliche Illegalität des Red Bull waberten wegen diverser Teile schon mehrfach in dieser Saison durch das Fahrerlager. Während des Qualifyings auf dem Hockenheimring sollen Vertreter anderer Teams per Tonband die Motoren-Geräusche des RB8 aufgenommen haben, um Beweise zu liefern. „Für mich klang das Auto nicht wirklich anders“, meinte Wurz.
Vor dem Rennen in Monaco Ende Mai hatten Ferrari und McLaren einen Einspruch gegen den Rivalen erwogen, nach langen Gesprächen mit der FIA aber nicht eingelegt. Der Verband wies Red Bull daraufhin aber an, das Auto bis zum nächsten Rennen in Kanada umzubauen, ohne eingefahrene Punkte abzuerkennen.
Ende April in Bahrain hatte es schon Gerüchte gegeben, Löcher im Unterboden der Autos von Vettel und seinem Teamkollegen Mark Webber seien nicht regelkonform. Die FIA untersuchte das Auto mehrfach, Red Bull verwies auf Schriftstücke, die die Legalität des Wagens bestätigten. Am Ende wies die FIA später doch noch den Umbau mit dem Hinweis an, Löcher im Unterboden seien generell nicht erlaubt.
In der vergangenen Saison hatte unter anderem der von Red Bull perfektionierte auspuffangeströmte Diffusor Vettel zum souveränen zweiten Titelgewinn getragen. Dieser wurde vor der Saison verboten. Nach Bauers Meinung jedoch benutze Red Bull ihn in ähnnlicher Form offenbar nun doch wieder.
SID