Kastl bringt Führung bei Türkgücü nicht ins Ziel

München - Ein Spiel, zwei Gesichter. Und zwei vollkommen verschiedene Halbzeiten. Der TSV Kastl liegt einerseits zur Hälfte der Partie beim SV Türkgücü-Ataspor völlig verdient in Führung - und entführt andererseits am Ende fast glücklich einen Auswärtspunkt aus München.
aus München berichtet Christian Schulz
Die ersten zwanzig Minuten des Spiels auf der Sportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße verliefen ohne besondere Ereignisse. Beide Teams gingen anfangs kein allzu hohes Tempo, sondern hielten bei spätsommerlicher Hitze mit ihren Kräften haus, um nicht zu früh ihr Pulver zu verschießen. Und agierten auf Augenhöhe.
Die Kastler operierten wie gewohnt aus einer soliden und gut organisierten Defensive heraus und versuchten punktuell Nadelstiche zu setzen, wenn ihnen von den Türkgücü-Ataspor-Akteuren Räume angeboten wurden. Doch auch die „Türken“ versuchten erst einmal möglichst wenig zuzulassen und drückten auf dieser Basis auch als Heimmannschaft nicht voll aufs Gaspedal. Es war ein ausgeglichenes Spiel hier in München, das sich vorwiegend im Mittelfeld abspielte. Torchancen blieben auf beiden Seiten Mangelware.
Langes Abtasten - dann geht Kastl in Führung!
Dies änderte sich erst, als die Kastler plötzlich einmal schnell das ganze Spielfeld überbrückten: Ein langer Abstoß von TSV-Keeper Egon Weber wurde ein Mal per Kopf verlängert, Türkgücü passte nicht auf – und schon ging Timo Pagler über halbrechts alleine aufs Tor zu. Es gelang ihm allerdings nicht den Ball an Münchens Torhüter Alexander Heep vorbeizuspitzeln – dieser konnte mit den Fußspitzen gerade noch klären (19.)!
Nur Momente später war der starke Torwart allerdings machtlos: Dominik Grothe zirkelte einen direkten Freistoß aus etwa 23 Metern zentraler Position über die Mauer – und unhaltbar in den rechten Winkel des Gehäuses der Hausherren (21.)! Führung für die Gäste!
Service:
Auf der Gegenseite hätte Türkgücü allerdings beinahe umgehend ausgeglichen: Nach einem Freistoß von rechts stieg Erkan Atilgan in der Mitte am höchsten und gewann das Kopfballduell gegen die Kastler Abwehrspieler. Weber im Kasten wäre geschlagen gewesen – aber der Ball klatschte lediglich rechts oben auf die Torlatte (24.).
Kastl gewinnt die Oberhand und dominiert klar das Geschehen
Nach der Trinkpause änderte sich das Spielgeschehen. Und zwar zugunsten der Gäste, die jetzt auch nach vorne aktiver wurden. Die Hausherren waren hingegen zu behäbig um Kastl gefährlich zu werden, taten nicht genug, waren oft zu umständlich und auch einfach nicht bissig genug. Der SV Türkgücü-Ataspor tat sich äußerst schwer gegen die Kastler überhaupt zu irgendwelchen nennenswerten Offensivaktionen zu kommen – und machte beim Versuch eine Lücke zu finden um irgendetwas Konstruktives zu initiieren den ein oder anderen Fehler.
Dies bestraften die emsigen Kastler, die ihrerseits größtenteils eben keine Fehler begingen. Der TSV spielte ruhig und souverän, machte sein Ding unaufgeregt und konzentriert. Ein Umstand der mittlerweile zu den Charakteristika des von Sven Vetter trainierten Landesligateams gehört. Der Kastler Fußball ist klar und geradlinig, in der Offensive meist präzise und gegen den Ball bestens organisiert. In Kombination mit der dazugehörigen Zweikampfstärke kamen die Gäste durch das schnelle Umschaltspiel nach Balleroberung immer wieder gefährlich vor das Tor der Gastgeber.
Zunächst rutscht ein von rechts nach links geschlagener Diagonalball der Kastler durch die Abwehr der Münchner. Dominik Grothe tauchte halblinks allein vor Schlussmann Heep auf und hatte eigentlich alle Zeit der Welt – doch der Teufelskerl im Türkgücü-Tor rettete erneut (31).
Klasse Szene von Straßer - "Laser" Pagler schlägt erneut zu!
Nur drei Minuten danach erhöhten die Kastler ihren Vorsprung allerdings trotzdem: Nach einer feinen Komnination über die linke Seite bediente der durch die Schnittstelle freigespielte Alois Straßer mustergültig und unerreichbar für den ihm entgegenstürzenden Heep mit einem Querpass den mitgelaufenen Timo Pagler – und der musste kurz vor der Torlinie nur noch einschieben (34.)! 0:2 – der „Laser“ hatte erneut zugeschlagen!
Und Kastl hätte seine Führung sogar weiter ausbauen können: Sebastian Spinner zeigte einmal mehr seine ganze Dynamik. Er nahm einen hoch aus der eigenen Abwehr geklärten Ball im Mittelkreis an, realisierte sofort, dass er zeit und Raum hatte und ging aus der Drehung heraus über rechts auf und davon. Anschließend zog er mutig nach innen ins Zentrum, ließ alle Gegenspieler stehen und schloss auf Höhe der Sechzehnerline ab – doch Heep war einmal mehr rechtzeitig unten und konnte den auf die rechte untere Ecke gezielten Ball abwehren (38.)! Eine ganz starke Aktion von beiden.
Aufgrund dieses starken Auftretens im zweiten Teil der ersten Halbzeit gingen beide Mannschaften mit einer vollkommen verdienten Zwei-Tore-Führung der Gäste in die Kabinen. Der TSV hatte der Heimelf bis hierin ihre Grenzen aufgezeigt. Ohne irgendetwas besonders - wohl aber so gut wie alles grundsolide - zu machen und eben dadurch, klare Bälle zu spielen, hatten die Kastler hier eindeutig dominiert und die Partie im Griff.
Verdiente Halbzeitführung für Kastl - und eine ganz andere zweite Hälfte
In der zweiten Hälfte jedoch änderte sich das grundlegend. Beide Mannschaften auf dem Feld wie ausgewechselt. Türkgücü-Coach Kadir Alkan hatte seinen Mannen wohl gehörig wachgerüttelt – jedenfalls traten sie von Anfang an ganz anders auf. Viel aktiver, viel bissiger, bekamen sie jetzt endlich Zugriff auf das Match – und die Kastler verloren ihn nach und nach immer mehr.
Sein Übriges dazu tat die Einwechslung von Jerone Gonzalez Duran und die damit verbundene Umstellung der Hausherren auf drei Offensivkräfte in vorderster Front. Türkgücü ging jetzt Risiko. Und vor allem der bullige Duran brachte noch mehr Qualität aufs Feld. Er behauptete immer wieder stark den Ball, riss durch seine Laufwege Räume auf oder stieß selber in diese hinein – und stellte die Gästeabwehr damit vor gehörige Probleme.
Fortan spielte nur noch Türkgücü und die Gäste versuchten sich der andauernden Offensivbemühungen der Hausherren zu erwehren. Auch körperlich ging bei den TSV-Recken jetzt immer weniger – da die Temperaturen für beide Teams gleich waren, forderten wohl nach nunmehr neun Spielen auch die laufintensive Spielweise der Kastler und der ein oder andere verletzungs – bzw. berufsbedingte Ausfall ihren Tribut. Die Kastler hatten sichtlich Mühe mit dem angezogenen Tempo der Gastgeber mitzugehen und schleppten sich mehr durch diese zweite Halbzeit. Auch in vielen Zweikampfduellen blieben die Gäste nun zweiter Sieger. Nach vorne ging bei Kastl gar nichts mehr. Konter fanden nicht mehr statt - Entlastung Fehlanzeige.
Türkgücü wie verwandelt - und drückend überlegen
Das konnte in dieser Klarheit kaum bis zum Ende gut gehen. Je länger die Partie andauerte, desto mehr nahm die engagierte Aufholjagd des SV Türkgücgü-Ataspor ihren Lauf. Den Anfang markierte die 53. Spielminute: Wunderbare Flanke von Domagoj Habek vom rechten Flügel – und in der Mitte ging Duran volles Risiko und drosch das Leder von der Strafraumgrenze volley unhaltbar in die Maschen! Was für ein Knaller! Absolut nichts zu machen für Weber.
Und Türkgücü setzte seinen Offensivwirbel fort: Erst kamen nach einem aus dem rechten Halbfeld hinter die Abwehr geschlagenen Ball gleich zwei „Türken“ frei zum Kopfball – doch Onur Kaya setzte das Leder über den Kasten (66.). Dann spielte der mit Vollgas nach vorne durchstoßende Türkgücü-Verteidiger Andrej Skoro einen blitzgescheiten Doppelpass mit Duran im Zentrum und packte aus achtzehn Metern einen wahren Hammer aus – doch Weber parierte mit einer Glanzparade (74.)!
Duran mit dem Doppelpack zum Ausgleich!
Nach 78 Minuten war es allerdings um den möglichen Dreier für das Gästeteam geschehen: Der unermüdliche Burkibar Cisse war über rechts davongezogen und bediente mit seiner flachen Hereingabe mustergültig Duran im Sechzehner des TSV. Der verwandelte mit der Innenseite direkt und abgeklärt in die linke untere Ecke! Weber ohne jede Chance – der mittlerweile hoch verdiente Ausgleich.
Und Türkgücü hättet das Spiel fast noch komplett gedreht und gegen Kastler, die nun das Ende dieser Partie herbeisehnten, zu seinen Gunsten entschieden: Denn Skoro packte bei einem direkten Freistoß aus optimaler Position zentral an der Strafraumgrenze erneut die Klebe aus und knallte das Leder mit voller Wucht durch die Mauer auf die Torwartecke – doch Tausendsassa Weber war wieder zur Stelle und rettet seinem Team den Punktgewinn (83.)!
Kastl kann am Ende froh sein, einen Punkt mitzunehmen
In den anschließenden Schlussminuten waren dann auch die Gastgeber, die trotzdem noch einmal alles versuchten, körperlich nicht mehr ganz so überlegen und konnten ihre hohe Schlagzahl nicht aufrechterhalten. Daher endete die Partie letztlich schiedlich friedlich 2:2 Unentschieden.
Am Ende mussten die Gäste trotz der guten ersten Halbzeit fast noch froh sein, dass es hier zumindest noch zu einem Punkt gereicht hatte. Genau Null eigene Torabschlüsse in Durchgang Zwei sprechen Bände. Lange hätte das Match wohl nicht mehr dauern dürfen. Also nahmen die Kastler es wie es kam – und den einen Zähler mit nach Hause. Und waren auch damit – laut übereinstimmenden Aussagen – höchst zufrieden. Denn punktemäßig liegen die Kastler jetzt wieder mit Tabellenführer SpVgg Landshut gleichauf.