Meinung
Dramatische Sicherheitskonferenz: Situation so beklemmend wie selten
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Man soll es nicht übertreiben mit den Superlativen, aber die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz gehört zweifellos zu den dramatischsten der vergangenen Jahrzehnte.
Über der Veranstaltung hing die ständige und sehr konkrete Furcht vor einer Eskalation in Osteuropa, alle wussten: Ein Funke genügt. Das führte zu einer beklemmenden Situation: Selten lagen der Anspruch der Konferenz, Konflikte durch Gespräche zu verhindern, und das Gefühl, es auch tatsächlich in der Hand zu haben, so weit auseinander wie diesmal.
Natürlich trug dazu auch die Abwesenheit der Russen bei, die den Westen zum Selbstgespräch zwang. Was auch immer Wladimir Putin dazu bewog – mit seinem Boykott hat er geschafft, woran viele Konferenzen der Vergangenheit gescheitert waren: das lange beschädigte transatlantische Bündnis zu stärken, die teils tiefen Gräben zwischen EU-Partnern (Polen/Brüssel) zur Nebensache zu machen. Der Westen, der in ermüdender Selbstbeschäftigung zuletzt immer wieder über seine inneren Risse klagte, ist wieder näher zusammengerückt – zumindest für den Moment.
Natürlich stellt sich die Frage, wie nachhaltig das sein kann, denn die Differenzen (etwa bei der Lastenverteilung in der Nato) sind ja allenfalls überdeckt, aber nicht gelöst. Offen bleibt außerdem, ob aus dem gemeinsamen Reden gemeinsames, klares Handeln wird. Zu Recht wies der ukrainische Präsident Selenskij in seiner sehr emotionalen Rede auf das Gefälle zwischen den Beistandsbekundungen mancher Länder und ihrer Bereitschaft zu echter Krisenhilfe hin. Dass er zuallererst Deutschland meinte, musste er nicht eigens sagen. Leider deutet trotz augenfälliger Lügen des Kreml nichts darauf hin, dass Berlin seinen Kurs anpasst. Ebenfalls tragisch: Offenkundig fehlt weiterhin eine Idee, wie Europa wehrhafter werden könnte. Kanzler Scholz hätte seinen Auftritt durchaus dazu nutzen können, einen Plan zu skizzieren, immerhin bedroht Moskau nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur. Aber Berlin nimmt die Herausforderung nicht an. In einem hat Scholz aber recht: Die Gefahr eines Krieges ist längst nicht gebannt, sie ist bedrohlich nah. Der Westen muss nun beweisen, dass er – um beim Siko-Motto zu bleiben – Ohnmacht und Hilflosigkeit überwinden kann.