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Tut streiten der Beziehung gut?

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Von: Dorothea Perkusic

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Frage einer Frau:

Mein Mann und ich haben Meinungsverschiedenheiten zum Thema Streiten. Ich streite eigentlich  gerne, er findet es schrecklich. In meiner Familie gehörte Streit zum Alltag, es wurde viel diskutiert.  In seiner Familie wurde alles totgeschwiegen und Konflikte durfte es gar nicht geben. Ich habe das Gefühl, unsere Beziehung bleibt stehen, wenn wir nicht diskutieren. Mir wird fast  langweilig. In letzter Zeit werde ich oft aggressiv und laut. Es macht mich wahnsinnig, dass mein  Mann mir kein Contra gibt. Ich bin ständig genervt und finde ihn zunehmend unattraktiv. Ich will ihn  nicht verlieren, aber ich brauche ein gewisses Maß an Auseinandersetzung. Ist es nicht so, dass  streiten der Beziehung auch gut tut? 

Antwort von Dorothea Perkusic:

Streiten kann einer Beziehung einen positiven Schub verpassen und Streiten kann Beziehungen zerstören. Die erste Frage die in mir aufkommt ist, weshalb es Sie plötzlich so stark nervt, dass ihr Mann Ihnen keine Reibungsfläche bietet. Denn schließlich haben Sie ihn vermutlich genauso kennengelernt und seine Art geschätzt oder gerade seine Besonnenheit interessant oder ausgleichend empfunden? Können Sie benennen, was sich verändert hat und weshalb Ihr Befinden an dieser Stelle in einen Widerstand gekippt ist? 

Die persönlichen Verhaltensmuster haben Sie bereits erkannt. Für Sie ist streiten etwas Konstruktives und Wichtiges, was Sie weiterbringt. In Ihrer Familie war Streit an der Tagesordnung. Hinterfragen Sie, ob dies nicht auch oft anstrengend oder beängstigend war für Sie als Kind. Können Sie sich eine Beziehung ohne Streit nicht vorstellen, weil sie es so nie erfahren haben? Finden Sie mehr Genuss im Streit oder im Frieden? 

Dorothea Perkusic auf Instagram 

Ihr Mann ist völlig konträr aufgewachsen, es durfte keine Konflikte geben. Daher bereitet ihm Streit eher Unbehagen und Angst. Er hat praktisch nie die Erfahrung gemacht, dass Streit etwas Bereinigendes und Konstruktives haben kann und versucht daher, Auseinandersetzungen weiterhin zu vermeiden. 

Sie mögen Auseinandersetzungen, Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten, sich zu reiben und brauchen es, gelegentlich die Hörner aneinander zu wetzen. Das ist auch eine Frage des Temperaments. Solange sich dabei keiner verletzt, kann dies die Entwicklung eines jeden  Beziehungspartners und auch die gemeinsame beleben und fördern. Es gibt jedoch einen  Unterschied zwischen einer Diskussion und einem hitzigen, grenzüberschreitenden Streit. Streiten will gelernt sein. Denn es gilt, dabei respektvoll und sensibel vorzugehen. Sensibilität beim Streiten aufzubringen ist eine Kunst. 

Zum Streiten gehört Mut. Dieser fehlt Ihrem Mann vielleicht und vermutlich ist er Ihnen im Streit auch unterlegen und fühlt sich von Ihrem herausfordernden Verhalten in die Ecke gedrängt oder er empfindet Streit als sinnlos. Das Risiko falsch verstanden zu werden, das Gegenüber zu verletzen, ungewollt für Eskalation zu sorgen, schwingt schließlich immer mit. So sehr man auch gewillt ist Kompromisse zu schließen, ist die Möglichkeit dazu leider nicht generell gegeben. Vor allem, wenn man den Standpunkt des Partners/der Partnerin nicht verstehen kann oder will und nur noch Akzeptanz hilft. Denn die Ansichten und Wahrnehmungen zweier Menschen können oft grundverschiedener nicht sein. 

Versuchen Sie zu filtern, welche Auseinandersetzung und Weiterentwicklung es gerade für Sie braucht. An welcher Stelle erleben oder befürchten Sie eine Stagnation oder langweilen sich? 

Versuchen Sie die einzelnen Themen zu benennen und in Bereiche aufzuteilen. Damit wird es  vielleicht verständlicher für Sie selbst und für Ihren Mann und ist damit weniger unberechenbar und furchteinflößend. Schildern Sie ihm Ihr Bedürfnis nach Auseinandersetzung und schauen Sie auch, was er braucht, um sich sicherer zu fühlen. Zum Beispiel die Möglichkeit aussprechen zu dürfen, eine ruhigere Tonart, eine Vereinbarung, dass Sie miteinander Frieden schließen im Anschluss, ein  Ritual.  

Der geborene Streithammel wird Ihr Mann wahrscheinlich nicht mehr werden. Vielleicht kann er jedoch seine Scheu, sich direkter zu äußern ablegen. Sie hingegen müssen sich vielleicht darin üben, einen Schritt zurück zu gehen, damit Ihr Mann den Raum erhält, den er in schwierigen Situationen braucht. Und vielleicht geht damit die Erkenntnis einher, dass Streit zwar die Wirkung eines bereinigenden Gewitters haben kann, dass Sie dieses aber nicht künstlich herbeiführen müssen, um etwas klären zu können. Es geht wie so oft um Sicherheit. Die Sicherheit gehört zu werden. Dafür müssen Sie aber möglicherweise gar nicht laut werden.

Dorothea Perkusic

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