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Chili sin Carne mit Zimt: Wie ein Liebesmahl dunkle Geheimnisse hervorbringt

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Von: Rainer W. Janka

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Irgendwann sind beide ratlos, Bruder (Thomas Eiwen) und Schwester (Olivia Raclot).
Irgendwann sind beide ratlos, Bruder (Thomas Eiwen) und Schwester (Olivia Raclot). © Janka

So hat der junge österreichische Autor Emil Kaschka mit „Bruder Jakob“ ein Theaterstück geschaffen, dem das Publikum mit atemloser Spannung folgte und das am Ende langanhaltenden Applaus erhielt.

Rosenheim – Auf der Kochplatte dampft und brodelt das vegane Chili, also Chili sin carne, vor sich hin: ein schönes Symbol für die brodelnden Gefühle der beiden Geschwister, die sich zum gemeinsamen Abend verabredet haben, denn seit ihr Bruder Jakob sich das Leben genommen hat, haben sie sich nicht mehr getroffen.

Anlass ist, dass sie für die Pflege des erkrankten Vaters Vorsorge treffen müssen. Und nun müssen sie das aufarbeiten, was zwischen ihnen liegt: Geheimnisse, verschiedene Lebensentwürfe, sexuelle Begegnungen, unterdrückte Konflikte. Er studiert seit neun Jahren erfolglos Theaterwissenschaft, sie ist erfolgreiche Juristin auf dem Weg zum europäischen Patentamt nach Brüssel.

Streit, Gift und Versöhnung

Die Geschwister erzählen, streiten sich, giften sich knapp zwei Stunden lang an – und versöhnen sich. „Geschwister sind schrecklich. Aber keine zu haben, ist schlimmer“, sagt der Familientherapeut Wolfgang Schmidbauer. Zwischendurch essen beide das Chili sin Carne, die Schwester sogar mit dem verhassten Zimt: Es wirkt wie ein Liebesmahl. Irgendwann wird klar, dass auch die Sex-Erlebnisse der Geschwister miteinander verschlungen sind. Ein durchlaufendes dramatisches Element ist die Erinnerung an den toten Bruder Jakob – der dann aber mittels WhatsApp ein geheimes Leben weiterführt. Mehr sei aus Spannungsgründen nicht verraten.

Unter die Haut

Der junge österreichische Autor Emil Kaschka hat daraus ein Theaterstück gemacht mit dem Titel „Bruder Jakob“, ein durchaus aufregendes Kammerstück für zwei Personen mit allem, was es für ein gutes Stück braucht: Es geht unter die Haut, ist mitunter witzig, hat mit der Geschwisterbeziehung ein bedeutsames Thema (was sich gerade auch bei den englischen Prinzen Harry und William zeigt), baut Spannung auf, sorgt für überraschende Momente und endet dramaturgisch schlüssig. Vor allem ist es deutlich in der heutigen Zeit angesiedelt und benutzt die Sprache der heutigen Jugend, es ist die Rede von Zero-Waste-Foren und sexpositiven Partys und WhatsApp ist ein wesentliches dramatisches Element.

Thomas Eiwen, der den Autor von mehreren Poetry Slams kennt, hat das Stück in die Rosenheimer Theaterinsel geholt und spielt den Bruder, Olivia Raclot die Schwester. Daniel Burton führt Regie.

Ein Sessel und ein Hocker sind alles, was es dazu braucht. Unauffällig geschickt leitet er das Kammerspiel und führt die Personen durch die verschiedenen Gesprächssituationen. Zwischendurch fragt man sich ja als Zuschauer, warum die Schwester, wenn’s beleidigend wird, nicht einfach weggeht.

Geschwister ticken anders

Der Autor weiß mit Wolfgang Schmidbauer die Antwort: Geschwister ticken anders. Sie haben eine erstaunliche Fähigkeit, irgendwann wieder einfach so zu tun, als ob nichts gewesen wäre. So ist auch das glückliche Ende an Jakobs Grab logisch nachvollziehbar.

Thomas Eiwen spielt den erfolglosen Theaterwissenschaftler in der Cordhose und im locker bunten Pulli spontan wirkend, vollkommen natürlich und dem Text vertrauend. Seine Pointen setzt er wirkungsvoll und er führt das Gespräch, nicht nur, weil es ja seine Wohnung ist, in der die Handlung spielt. Olivia Raclot bleibt als Juristin im Hosenanzug bisweilen zu unterkühlt, dadurch zurückgenommen im Ton und vor allem tempohemmend. Dafür sind ihre emotionalen Ausbrüche umso erschreckender. Am besten sind beide, wenn sie unmittelbar aufeinander reagieren.

Die Zuschauer in der ausverkauften Theaterinsel folgten dem seelenentblößenden Rede-Ping-Pong der Geschwister mit atemloser Spannung und spendeten am Ende langanhaltenden Applaus.

Spannendes Theater der Gegenwart

Danach beantwortete der hochsympathische Autor Zuhörer-Fragen nach autobiografischen Hintergründen (ja, in Ansätzen), nach den Gefühlen beim Schreiben (keine, er sei rational wie ein Handwerker gewesen) und nach Vorbildern (Simon Stone).

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Bisher hat sich die Theaterinsel erfolgreich durch die Theatergeschichte gewühlt, jetzt ist sie bei der aktuellsten Gegenwart angekommen: Wer in Rosenheim aufregendes, gutes und spannendes Theater sehen will, muss in die Theaterinsel gehen. Weitere Aufführungen gibt es bis Sonntag, 12. Februar.

Genaueres unter www.theaterinsel.de, Tickets gibt es dort oder unter Telefon 0 80 31/9 00 82 03.

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