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Eine Chance für Sorgenkinder

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Hand in Hand zum Wohl des Kindes: Zur Kooperation haben sich Schulamtsdirektor Wolfgang Tauber (links), Gerd Rose, Leiter des Rosenheimer Jugendamtes (rechts) und Maria Elisabeth Becker, Leiterin des sonderpädagogischen Förderzentrums, gemeinsam mit weiteren Beteiligten vertraglich verpflichtet. © Duczek

«Nicht einschulbar», lautete das niederschmetternde Urteil für einen Rosenheimer Buben. Sein Verhalten war so auffällig, dass er auch im sonderpädagogischen Förderzentrum nicht in der ersten Klasse aufgenommen werden konnte.

Dass dies jetzt doch gelungen und zum neuen Schuljahr sogar eine Integration in die Grundschule möglich erscheint, hat der Bub einem Pilotprojekt zu verdanken.

Es ist das erste institutionalisierte Programm, das aus der neuen Kooperationsvereinbarung zwischen Staatlichem Schulamt, Rosenheimer Jugendamt, den Rosenheimer Grund- und Hauptschulen und den Trägern der Jugendhilfe entstanden ist. In einer dem sonderpädagogischen Förderzentrum angegliederten Stütz- und Förderklasse werden massiv auffällige Kinder ganztags intensiv betreut - von einer Sonderschul- und einer Grundschullehrkraft sowie zwei Sozialpädagogen.

Ziel des Schulversuches ist es, die Kinder so zu stabilisieren, dass sie doch am Unterricht in der Regelschule teilnehmen können. Bei Kindern mit massiven Verhaltensauffälligkeiten als Folge kindlicher Traumata oder extrem unglücklicher sozialer und familiärer Hintergründe ist diese Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe der Schlüssel zum Erfolg: Diese Erfahrung haben in den vergangenen Jahren Schulamtsdirektor Wolfgang Tauber, Gerd Rose, Leiter des Rosenheimer Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien, sowie die Sonderschulrektorin Maria Elisabeth Becker als Initiatoren der Kooperation wiederholt gemacht.

Vormittags fielen die Kinder durch Störaktionen, Verwahrlosung oder Schwänzen in der Schule auf, erläutert Tauber die Hintergründe. Die Lehrer versuchten, helfend einzugreifen, stießen jedoch angesichts voller Lehrpläne und der Notwendigkeit, die restliche Klasse nicht zu vernachlässigen, an ihre Grenzen, berichtet er. Nachmittags hieß es nicht selten für die Jugendhilfe, aktiv zu werden. Jeder für sich kam, so stellten die Beteiligten immer wieder fest, nicht so gut voran wie alle beteiligten Stellen gemeinsam.

«Denn es sind schließlich die gleichen Kinder, um die wir uns kümmern. Und das können wir nun Schulter an Schulter tun», erläutert Rose. Mit Hilfe der Kooperationsvereinbarung ist diese Zusammenarbeit auf «systematische, konzeptionelle Füße» gestellt worden, ergänzt Tauber. Der Vertrag sei den Beteiligten nicht einfach übergestülpt worden, sondern in intensiver, dreivierteljähriger Teamarbeit gemeinsam erarbeitet worden. «Die Akzeptanz ist deshalb hoch», freut sich der Schulamtsdirektor. In der Tat haben alle neun Rektoren der Grund- und Hauptschulen in Rosenheim, die Leiterin des sonderpädagogischen Förderzentrums und die Leiter der in der Erziehungshilfe engagierten Wohlfahrtsverbände die Vereinbarung mit unterschrieben.

Er umfasst keine schönen Worte als Absichtserklärung, sondern konkrete Handlungsrahmen, die das weitere Vorgehen detailliert festlegen: Vertraglich haben sich die Beteiligten zu regelmäßigen Fachgesprächen in den Schulen, zu Helferkonferenzen, zur gegenseitigen Erreichbarkeit bei akuten Problemen und zu frühzeitigem Handeln bei drohendem Schulversagen oder Ausschluss verpflichtet. Außerdem soll die Elternarbeit intensiviert werden. Wenn es gelingt, Mütter und Väter ins Boot zu holen, stellen sich oft Erfolge ein, so Maria Elisabeth Becker.

Im Fall des Rosenheimer Buben, der erfolgreich die Stütz- und Förderklasse besucht hat, sei es gelungen, die alleinerziehende Mutter von der Notwendigkeit einer speziellen Förderung zu überzeugen und zur Mitarbeit zu motivieren. Zudem will sich das Kooperationsmodell verstärkt um einen besseren Übergang vom Kindergarten zur Grundschule kümmern.

Ein weiteres Modellprojekt soll in Kindertagesstätten und Kindergärten für die Begabungen von Mädchen und Buben sensibilisieren und auf den Schuleintritt vorbereiten, berichtet Tauber. Der Hilfsansatz geht von einer geänderten Sichtweise aus: Nicht die Defizite der Kinder und Jugendlichen bestimmen das Handeln, sondern ihre Ressourcen.

Von einem neuen «Stärkenblick» spricht Becker. Im Fall des Buben aus der Stütz- und Förderklasse bestand die individuelle Stärke in der Bereitschaft des Buben, Hilfe anzunehmen und sich zu einem sozialen Verhalten anleiten zu lassen. Er baute seine Aggressionen ab, lernte, sich in eine Gruppe zu integrieren und fällt heute nur noch durch sein verlangsamtes Lerntempo auf, freut sich die Leiterin des Förderzentrums. duc

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