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Ein Räuber mit Fernbedienung

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Die Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling nach dem Überfall im August 2008. © Aerzbäck

Normalerweise denkt man mit 64 Jahren an die Rente. Nicht so ein Vorruheständler aus Rosenheim. Weil den Mann hohe Schulden und das schlechte Gewissen plagten, wurde er zum Bankräuber und überfiel im August 2008 die Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling.

Am Donnerstag wurde dem geständigen Handwerker in Traunstein der Prozess gemacht. Das Urteil: vier Jahre Gefängnis.

«Es war eine Flucht nach Stadelheim», sagte Harald Baron von Koskull aus Rosenheim, der Verteidiger des Verzweiflungstäters. Das klingt paradox, kommt den Gedanken aber wohl sehr nah, die dem Handwerker am 25. August 2008 (eine Woche nach seinem 64. Geburtstag) durch den Kopf schossen.

Schuldenfrei oder Gefängnis, hieß die Alternative. Und selbst wenn die Geschichte schief gehen würde - in der Haftanstalt würden ihm wenigstens die Gläubiger, denen er in Rosenheim täglich ins Gesicht schauen musste, nicht mehr über den Weg laufen.

So spitzten sich die Dinge am 25. August zu. Erst besuchte er einen Kunden, dann ging er in die Kirche - und von dort zur Bank. Eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase, die Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen, die Fernbedienung für seine Auto-Standheizung in der Hand: So kreuzte er am Morgen am Schalter mit der Nummer 1 der Sparkassenzentrale in der Kufsteiner Straße auf.

Dem Mitarbeiter der Bank machte er unmissverständlich klar, dass es sich um einen Überfall handele. Der 64-Jährige forderte die Herausgabe von Bargeld: Genau 200000 Euro sollten es sein. Ein Betrag, der genau seinem Schuldenberg entsprach. Im Gebäude habe er drei Bomben versteckt, die er mit dem «Fernzünder» in seiner Hand jederzeit hochgehen lassen könne, verlieh er seiner Forderung Nachdruck.

Der Mann hinterm Schalter behielt die Nerven, erklärte dem Räuber, er müsse sich einen so hohen Betrag im Tresorraum besorgen, und löste stillen Alarm aus.

Rasch wurde das Gebäude evakuiert, wenige Minuten später hatten herbeigerufene Polizeikräfte den Mann mit der Kappe - er wartete immer noch am Schalter - überwältigt. Schnell stellte sich heraus, dass das Kasterl gar kein Fernzünder und auch die Geschichte mit dem Bomben eine leere Drohung gewesen war.

Im Schwurgerichtsprozess vor der Zweiten Strafkammer am Traunsteiner Landgericht ging es jetzt vor allem um eine Frage. Hat der 64-Jährige den dilettantischen Überfall - er hatte nicht einmal eine Plastiktüte für die Beute dabei - mit etwas Vorlaufzeit «geplant» oder handelt es sich um eine spontane Verzweiflungstat? Ermittelnden Polizeibeamten hatte der geständige Angeklagte erzählt, er habe sich schon zwei Wochen vor dem Überfall in der Bank umgesehen. Deshalb kam das Gericht unter Vorsitz von Karl Niedermeier zu dem Schluss, dass es sich nicht um einen spontan gefassten Entschluss handelte. So muss der 64-Jährige wegen «versuchter schwerer räuberischer Erpressung» für vier Jahre ins Gefängnis. Koskull hatte auf ein Strafmaß von drei Jahren plädiert, der Staatsanwalt auf viereinhalb Jahre.

Dem Rosenheimer hat die Geschichte schwer zugesetzt. Unter Tränen entschuldigte er sich bei den Bankmitarbeitern, bei denen sein Auftritt allerdings keine bleibenden psychischen Schäden angerichtet hat. Seine Frau hat nach dem Überfall die Scheidung eingereicht, die mittlerweile rechtskräftig ist. Und die Schulden plagen sein Gewissen weiter.

Das Unheil reicht bis in die 80er- und 90er-Jahre zurück. Damals hatte der Handwerker beim Spekulieren mit Kupfer nicht nur viel eigenes Geld verloren. Auch hohe Beträge, die ihm Freunde und Bekannte anvertraut hatten, waren weg.

Seiner Frau - ihr gehörte die Firma - erzählte er davon nichts. Als sie ihn am Tattag aufforderte, das ausstehende Geld von zwei Kunden einzutreiben, drohte das Versteckspiel aufzufliegen. Die Summen hatte er nämlich längst kassiert, um einen Teil der Schulden abzutragen.

Das Urteil ist vermutlich bald rechtskräftig. Im Gerichtsaal deutete nichts auf eine mögliche Revision hin.

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