"Rasierplatz" in erster Reihe beliebt

Rosenheim - Einen spannenden Nachmittag zum Thema "Rosenheimer Kinogeschichte" verbrachten die Gäste des Stadtarchivs bei den 21. Plaudereien mit Werner Krämer.
Stadtarchivar Tobias Teyke erinnerte dabei an Rosenheims lebhafte Kinozeiten in den 1950er-Jahren, in denen bis zu neun Kinos im Stadtbereich mit Filmen wie "Ben Hur" oder "Sissi" in ihre Vorführsäle lockten. "1951 galt Rosenheim als kinofreundlichste Stadt Westdeutschlands", so Krämer. Zu den Kinoraritäten der Vorkriegszeit gehörte das sogenannte "Floh-" oder "Schachterlkino", wie Hella Erdmann berichtete. Der von Max Reheis bereits 1908 am Max-Josefs-Platz gegründete Stadtkinomatograph bestand aus einem Zimmer, in das man durch einen dunklen Gang kam. "Es war richtig gruselig - da hätt ich mich nie reingetraut", so die rüstige Rentnerin. Viel lieber spielte sie mit ihrer Freundin Mimi aus der Bachdynastie im prunkvollen Saal der Kaiser-Lichtspiele im Gilitzerblock. Alois Bach hatte dort bereits 1912 die "Lichtspiele Helios" eröffnet. Zu Zeiten des Stummfilms begleitete ein Klavierspieler die Vorführungen. Es gab keine feste Bestuhlung, so dass der Saal auch für Bälle und Konzerte genutzt werden konnte.
Alina Paulig, die sich in ihrer Facharbeit "Film ab fürs Kinosterben?" intensiv mit Rosenheims Kinogeschichte auseinandergesetzt hat, plauderte über die Nachkriegskinos. Allein die Kammerlichtspiele und die Kaiser-Lichtspiele hatten den Zweiten Weltkrieg überlebt. Nach der Nutzung als Kino fanden diverse Discotheken in den Kammerlichtspielen eine Heimat.
1949 eröffneten das Union-Filmtheater und das Roxi-Kino am Roxiberg, dessen "Erwachsenenfilme" vor allem männliche Zuschauer lockten. Der ehemalige Saal des Auerbräu-Kellers musste laut Krämer allerdings wegen Bauschäden 1992 geschlossen werden.
In den 50er-Jahren wurde das Kurbellichtspieltheater am Ludwigsplatz eröffnet. "Früher mussten die Filme noch gedreht, also gekurbelt, werden. Da lief nichts elektrisch", so der Stadtforscher. Der ebenfalls in den 50ern eröffnete Centralpalast in der Rathausstraße war nicht nur für seine Winnetoufilme bekannt, sondern diente auch als heimliches Liebesnest für frisch Verliebte, wie Krämers Tochter Brigitta König beichtete.
Eine Besonderheit war das "Capitol" mit seinen zwei Kinosälen und zwei Betreibern. Neben Fritz Wolf zeigte auch die Familie von Herder, zudem Besitzer des Filmpalastes und der Kammerlichtspiele, Klassiker der Filmgeschichte. "Bei seiner Eröffnung 1956 galt der Filmpalast als modernstes Kino Bayerns", weiß Christian Anner, der dort bereits als 13-Jähriger als Filmvorführer arbeitete und heute als wahrer Cineast gemeinsam mit seinem Freund Jan Jäger alles daran setzt, das Capitol wieder als Kino nutzbar zu machen. "Bis auf das hintere Entree ist die Architektur des Capitol noch original erhalten", schwärmt er.
Das Kinosterben in Rosenheim begann in den 60er-Jahren mit Einzug der Fernseher in die privaten Haushalte. Für Max Schlosser blieb das Kino trotzdem Anziehungspunkt. "Dafür habe ich von der Oma Geld bekommen." Dort gab es nicht nur "schräge französische Krimis" - das Kino war auch Treffpunkt für die 18- bis 25-Jährigen und schon für ein "Fufzgerl" bekam man einen "Rasierplatz" - einen Platz in der ersten Reihe, so Schlosser.
Weitere Informationen zu Rosenheims Kinogeschichte sind auf Stellwänden im Lesesaal des Stadtarchivs nachzulesen. Dort ist auch ein Rest des Deckenfrieses der alten Kaiser-Lichtspiele zu sehen.
csi