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„Gnadenlos gescheitert“: Quarantäne-Regeln an Schulen überfordern Gesundheitsamt

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Von: Michael Weiser

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Testsergebnisse als Gradmesser: Bei den Schülern bewegen sich die Infektionszahlen in abenteuerlichen Höhen. Wie gefährlich das ist, darüber streiten noch die Experten.
Testsergebnisse als Gradmesser: Bei den Schülern bewegen sich die Infektionszahlen in abenteuerlichen Höhen. Wie gefährlich das ist, darüber streiten noch die Experten. © picture alliance/dpa

Walter Baier, Direktor des Gymnasiums Bruckmühl und Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien, schlägt Alarm. Die gültigen Quarantäne-Regelungen überlasten das System.

Rosenheim – Als er das Schreiben erhielt, dachte sich Walter Baier: „Das wird nicht funktionieren.“ Jetzt, einige Tage später, weiß der Direktor des Gymnasiums Bruckmühl sogar: „Es ist grandios gescheitert.“ Baier, Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien, verdankt der neuen Quarantäne-Bestimmung des bayerischen Kultusministeriums niederschmetternde Einsichten. Einrichten darin, wie ein Ministerium versagen kann.

Aus München war eine „Anpassung“ der Quarantäne-Regelung auf Baiers Schreibtisch gelandet. Im Falle eines positiv getesteten Schülers seien für die Verordnung der Quarantäne nicht mehr die Schulleiter verantwortlich, sondern die Gesundheitsämter. Dorthin sollten auch die „engen Kontaktpersonen“, also zum Beispiel Banknachbarn des positiv getesteten Schülers, gemeldet werden.

So weit die Theorie. Ganz anders die Praxis. „Wir haben angerufen“, berichtet Baier. „Wir bekamen aber auch nur zu hören: Bitte meldet uns die Fälle nicht.“ Dem Gesundheitsamt macht Baier dennoch keinen Vorwurf: „Die sind heillos überlastet.“

Dammbruch bei Behörden

Das kann die Behörde nur bestätigen – und zwar schon eineinhalb Monate, bevor sie auch noch die Kontrolle der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitsbereich übernehmen soll. Omikron lässt Dämme brechen. Seit Beginn der Pandemie haben die Gesundheitsämter ein Einzelfallmanagement von Infektionsfällen und Kontaktpersonen betrieben. Dieses Verfahren gehe mittlerweile „definitiv“ über die Grenzen seiner Möglichkeiten, meldet Dr. Wolfgang Hierl, der Leiter des Gesundheitsamts.

In der vergangenen Woche seien dem Gesundheitsamt Tag für Tag mehr als 1000 Fälle gemeldet worden. Die Politik sei gefragt, einen Strategiewechsel durchzuführen, sagt Hierl, weg von der Phase der Eindämmung, hin zu einer „konsequenten Fokussierung der Ressourcen zum Schutz vulnerabler Personengruppen“.

Und zu diesen besonders gefährdeten Gruppen gehören nach Ansicht vieler Experten gerade Kinder und Jugendliche nicht. Zwar rauscht die Omikron-Variante des Corona-Virus „mit Karacho“ durch die jüngeren Altersklassen, wie der Rosenheimer Kinderarzt Otto Laub berichtet. Doch glaubt man aus den vier Wellen vor der Omikron-Variante zu wissen, dass Kinder und Jugendliche in den meisten Fällen mit milden Verläufen davonkommen. Allerdings räumen Mediziner aus der Region ein, dass man über die Auswirkungen der Omikron-Variante immer noch nicht genug wisse. „Da werden wir möglicherweise erst in einem halben Jahr sagen können, was passiert ist.“

Zahlen erreichen ungeahnte Höhen

Die Ansteckungszahlen sind gewaltig und stellen alles in den Schatten, was bei älteren Altersklassen zu beobachten ist. Am höchsten sind sie mit einer Inzidenz von 4163,23 bei den Sechs- bis Elfjährigen im Landkreis Rosenheim. Irgendwann, so steht zu fürchten, schlägt das Infektionsgeschehen an Schulen und Kitas auch auf die Kliniken durch. Einen leichten Anstieg verzeichnet das Romed-Klinikum bereits. Das berichtet Dr. Wolfgang John, Leiter der Kinder-Intensivstation. Nicht alle davon wiesen typische Symptome auf, oft sei die Einweisung in die Klinik aufgrund einer anderen Diagnose erfolgt. Allerdings beobachte man zunehmend symptomatische Coronaverläufe, die eine stationäre Behandlung bei jungen Menschen aller Altersklassen, vom kleinen Säugling bis zum Jugendlichen, nötig machten. „In den vergangenen Wochen hatten wir zwei sehr schwere Verläufe bei einem Kind im Vorschulalter sowie bei einem Jugendlichen.“ Und Post Covid? Das lasse sich noch nicht sagen, meint John. Zwei Kinder habe man aber schon in die Uni-Kinderklinik nach München verlegen müssen.

Direktor Baier bittet derweil Eltern, ihre positiv getesteten Kinder abzuholen. „Häusliche Isolation“ darf er‘s nicht nennen, aber hofft, dass sich Eltern dran halten. „Ob die dann den PCR-Test auch noch machen, weiß ich natürlich nicht.“ Da kann Kinderarzt Otto Laub zumindest ein bisschen Mut machen: „Die allermeisten Eltern verhalten sich sehr vernünftig, das ist unser Eindruck in der Praxis.“

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