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Fahrräder erobern Bad Endorf: Wie Demos die Straßen für Kinder sicherer machen sollen

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Von: Paula L. Trautmann

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Am 5. und 6. Mai finden in Bad Endorf Demonstrationen für mehr Sicherheit beim Radfahren statt. Es geht vor allem um Kinder, die wohlbehalten in der Schule ankommen sollen. Janine Rattermann (links) hat die Demos organisiert.
Am 5. und 6. Mai finden in Bad Endorf Demonstrationen für mehr Sicherheit beim Radfahren statt. Es geht vor allem um Kinder, die wohlbehalten in der Schule ankommen sollen. Janine Rattermann (links) hat die Demos organisiert. © Georg Dehghan/Rosemarie Ammelburger

An den bundesweiten Aktionstagen der „Kidical Mass“ nahmen auch einige Bad Endorfer teil. Die Demonstrationen sollen den Straßenverkehr für Kinder sicherer machen. Warum das nötig ist.

Bad Endorf - Janine Rattermann will Bad Endorf sicherer machen. Nicht nur für ihre eigenen Kinder, die vier, sieben und acht Jahre alt sind. Sondern auch für alle anderen Kinder in dem Ort. Deshalb hat die Mutter Fahrrad-Demonstrationen am 5. und 6. Mai organisiert - als Teil der bundesweiten Aktionstage der „Kidical Mass“.

Kinder im Mittelpunkt

Der Name „Kidical Mass“ ist ein Wortspiel, das auf den Begriff und die Bewegung „Critical Mass“, englisch für „kritische Masse“, zurückgeht. Es handelt sich um eine weltweite Bewegung, bei der sich meist Fahrradfahrer treffen, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Derselbe Sinn steckt hinter der „Kidical Mass“, nur dass Kinder im Mittelpunkt stehen.

Clownshaar, Hut und Mikro: Organisatorin Janine Rattermann an der Schulstraße.
Clownshaar, Hut und Mikro: Organisatorin Janine Rattermann an der Schulstraße. © Georg Dehghan

Und das war am Freitag, 5. Mai, in Bad Endorf der Fall. Um 7.20 Uhr hat sich der „Fahrradschulbus“ am öffentlichen Parkplatz gegenüber der Bundespolizeisportschule an der Ströbinger Straße getroffen. Von dort sind die Teilnehmer gemeinsam durch das Kurgebiet über die Friedhofstraße zur Endorfer Grundschule geradelt. Nach Schulschluss sind sie denselben Weg wieder zurückgefahren. Die erste Rückfahrt startete um 12.15 Uhr und die zweite Rückfahrt um 13 Uhr.

36 Teilnehmer am Freitag

Auf der Hinfahrt hat Janine Rattermann neun Erwachsene und 27 Kinder gezählt. Auf der Rückfahrt waren es die gleichen Zahlen. Sieben Erwachsene und acht Kinder um 12.15 Uhr und um 13 Uhr zwei Erwachsene und 19 Kinder - somit erneut 36 Teilnehmer. „Wir freuen uns riesig, dass das so gut angenommen wurde“, sagt Rattermann. Denn in der Gegend wohnen laut einer anonymen Umfrage im Klassenzimmer nur 20 Schüler. Manche seien extra an den Startpunkt gefahren, um teilzunehmen.

Die Schulstraße wurde zur Fußgängerzone mit Spieleangebot

Die Polizei hat den „Fahrradschulbus“ begleitet. Acht Beamte waren zum Schutz der Demonstranten vor Ort. „Es ist alles ohne Probleme verlaufen“, sagt Peter Hans, stellvertretender Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Prien am Chiemsee. Niemand habe sich bei den Polizisten beschwert. „Es war alles friedlich.“

Die Beamten haben zudem die Schulstraße und die Friedhofstraße von 7.20 Uhr bis kurz nach 8 gesperrt. „Damit Elterntaxis nicht mehr ein- und ausfahren können“, erklärt Janine Rattermann. Denn viele Mütter und Väter bringen ihre Kinder immer noch mit dem Auto direkt vor die Schule. Doch nicht an diesem Freitag: Die Schulstraße wurde zur Fußgängerzone mit Spieleangebot.

Die Polizei sicherte die Schulstraße, sodass Elterntaxis nicht vorfahren konnten.
Die Polizei sicherte die Schulstraße, sodass Elterntaxis nicht vorfahren konnten. © Rosemarie Ammelburger

Nur zwei Anwohner haben sich Janine Rattermann zufolge beschwert. Sonst habe es nur positive Rückmeldungen gegeben. Die Schüler hätten den Lehrern berichtet, wie toll die Aktion gewesen sei. „Die Kinder waren sehr glücklich, dass sie mitfahren konnten“, sagt die Organisatorin.

Die Kleinen hätten nicht so viele Möglichkeiten, Fahrrad zu fahren - denn viele Eltern finden Bad Endorf zu unsicher. „Unsere Kinder sollen sicher auf dem Fahrrad zur Schule fahren können. Bisher ist das in Bad Endorf leider nicht möglich“, sagt Rattermann. Damit sich das ändert, haben sich der Elternbeirat der Grundschule und die „Kidical Mass“ nun Gehör verschafft.

Das ist Janine Rattermann zufolge dringend nötig: „Ich habe schon ganz fürchterliche Situationen gesehen.“ Etwa an der Ampel in der Ortsmitte von Bad Endorf. Ein Lastwagen ist über die Kreuzung gefahren und zwei Autos seien noch schnell hinterhergefahren. „Die haben einfach Gas gegeben, obwohl sie Rot hatten“, sagt die Organisatorin. „Das fand ich so erschütternd. Die Kinder haben sogar noch geschrien: Es ist rot.“

Die Autofahrer nicht verteufeln

Diese Situation sei kein Einzelfall. Auch an Zebrasteifen würden Autofahrer die Kinder oft übersehen und beinahe überfahren. „Ich finde es sehr schade, dass auf die Fußgänger so wenig geachtet wird“, sagt Rattermann. Alle Verkehrsteilnehmer sollten ihrer Meinung nach gleichrangig beachtet werden. Sie wolle die Autofahrer nicht verteufeln, auf dem Dorf brauche jeder schließlich manchmal ein Auto. Doch die Personen sollten aufmerksamer sein.

Mehr Geschick auf dem Fahrrad durch Bewegung

„Uns geht es auch um die Bewegung und darum, dass die Kinder geschickter im Straßenverkehr“, sagt die Endorferin. „Wenn die Kinder das nicht üben, passieren schlimme Unfälle.“ Der Elternbeirat der Endorfer Grundschule will auch erreichen, dass die Gemeinde Schul- und Radwege priorisiert und verbessert. „Es ist uns wichtig, dass die Kinder eine Stimme kriegen“, sagt Rattermann.

„Kidical Mass“: Für mehr Sicherheit auf den Straßen für Kinder.
„Kidical Mass“: Für mehr Sicherheit auf den Straßen für Kinder. © Rosemarie Ammelburger

Ob die Gemeinderäte die Agenda übernehmen? Die Kinder schienen jedenfalls begeistert. „Sie haben gleich gefragt, wann sie das nächste Mal fahren können“, berichtet Rattermann. Am Samstag, 6. Mai, haben sie erneut die Chance. Um 11 Uhr treffen sich die Teilnehmer auf dem Kirchplatz. Dann geht es über die Hochriesstraße und die Brücke, zur Chiemsee- und Bahnhofsstraße.

Picknick am Ende der Tour

Bei der Aktion „Tempo 30“ wird Janine Rattermann den Kindern den Bremsweg von einem Auto bei 30 und 50 km/h zeigen - mithilfe von Pappautos und einer bemalten Strecke. Vom Zebrastreifen bei der Eisdiele radeln sie dann weiter zur großen Kreuzung. Dort will Rattermann Straßenmalkreiden verteilen, damit die Teilnehmer Wünsche an die Gemeinde auf die Straße schreiben können. Danach geht es zur Solidarischen Landwirtschaft Jolling, wo ein Picknick auf die Radfahrer wartet. Zudem findet dort das Frühjahrsfest statt.

Am 5. und 6. Mai finden in Bad Endorf Demonstrationen für mehr Sicherheit beim Radfahren statt. Es geht vor allem um Kinder, die wohlbehalten in der Schule ankommen sollen.
Rund 40 Personen haben an den Demonstrationen am 5. Mai teilgenommen. Für den 6. Mai erwartet die Organisatorin 200 Teilnehmer. © Rosemarie Ammelburger

Janine Rattermann erwartet rund 200 Teilnehmer. „Die Kinder haben gesagt sie kommen, aber ich werde mich überraschen lassen“, sagt sie. Und es wird wohl nicht die letzte Demonstration für Radfahrer und Kinder in Bad Endorf sein. Die Organisatorin hofft auf eine weitere Veranstaltung im Herbst.

Das ist die „Kidical Mass“

Nach Angaben auf der Website von „Kidical Mass“ haben sich 90.000 Kinder, Jugendliche, Familien und Freunde im Mai und September 2022 für mehr Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr stark gemacht. Bei über 400 Fahrraddemos in kleinen und großen Städten forderten Unterstützer eine kinderfreundliche Verkehrspolitik. Mit diesem Rückenwind auf den Straßen und über 94.000 Unterzeichnen der Petition „Uns gehört die Straße! Wir fordern ein kinderfreundliches Straßenverkehrsrecht“ konnten die Organisatoren nach eigenen Angaben viele Entscheidungsträger überzeugen. Die Konferenz der Verkehrsminister im März unterstützt laut der Website eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung - „auch mit dem Fokus auf eine kinderfreundliche Mobilität“. Die Aktionstage 2023 sollen weiter Druck zu machen, um für eine Veränderung und mehr Sicherheit zu sorgen. Die Fahrten finden inzwischen in Städten auf der ganzen Welt statt. Internationale Aktionswochenenden finden zweimal im Jahr statt, im Mai und im September.

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