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Affenpocken: Ein alter und ein neuer Impfstoff – oder doch „Unfug“ für Bevölkerung?

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Von: Martin Weidner

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Die Handflächen eines Affenpockenpatienten zeigen einen Ausschlag
Die Handflächen eines Affenpockenpatienten zeigen einen Ausschlag © picture alliance/dpa/CDC | Uncredited

Berlin – Die ungewöhnlichen Fälle von Affenpocken in westlichen Ländern sorgen bei vielen Menschen für Verunsicherung und möglicherweise auch ein Déjà-vu: Braucht es wie bei Corona mehr Impfschutz in der Bevölkerung?

Bis heute zeugt die Narbe am Oberarm vieler Erwachsener davon: 1967 startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine weltweite Impfkampagne gegen Pocken, im Zuge derer Milliarden geimpft wurden. Es war der Anfang vom Ende der Krankheit. Bereits 1980 erklärte die WHO die Ausrottung der Pocken weltweit.

Seit dem Ende von Pockenimpfungen – die Pflicht zur Erstimpfung wurde etwa in der Bundesrepublik 1976 und in der DDR 1982 aufgehoben – sind allerdings immer weniger Menschen gegen das Variolavirus immun, das die Pocken hervorruft. Mit der derzeit ungewöhnlichen Häufung von Affenpockenfällen in westlichen Ländern durch einen verwandten Erreger stellt sich die Frage nach erneuten Impfungen. Speziell gegen Affenpocken gibt es in Europa keine zugelassenen Impfstoffe. Allerdings nehmen Fachleute an, dass herkömmliche Pockenimpfstoffe einen gewissen Schutz bieten.

So funktionieren „alter“ und „neuer“ Impfstoff

Insbesondere nach dem Anschlag auf das World Trade Center in den USA legten viele Länder aus Furcht vor Bioterrorismus Vorräte mit Pockenimpfstoff an. Die Bundesregierung hat laut einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages etwa 100 Millionen Dosen Pockenimpfstoff eingelagert. Dieses Vakzin sei wegen zu erwartender Nebenwirkungen jedoch nicht zum Einsatz gegen Affenpocken geeignet, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Der ältere Pockenimpfstoff hat viele Nebenwirkungen, zudem enthält er vermehrungsfähige Viren, die sich im Körper von immungeschwächten Menschen ausbreiten könnten“, erklärte Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Daneben gibt es noch einen neueren Pockenimpfstoff, der auf einer Weiterentwicklung durch den Mikrobiologen Anton Mayr in den 1960er Jahren in Bayern basiert. Dabei wird ein im Labor abgeschwächtes Impfvirus genutzt, um eine Immunantwort gegen Pocken zu erzeugen. Fachleute sprechen kurz von MVA-Impfung (MVA: Modifiziertes Vacciniavirus Ankara). „Diese Impfung wurde in den 1960ern eine Zeit lang verwendet, aber nie in großem Stil. Sie ist besser verträglich, das Virus nicht mehr vermehrungsfähig“, sagte der Wiener Facharzt für Impfen und Reisemedizin Herwig Kollaritsch.

Das seit 2013 in der EU für Erwachsene gegen Pocken zugelassene MVA-Vakzin heißt Imvanex und kommt von der deutsch-dänischen Firma Bavarian Nordic. In den Vereinigten Staaten ist es bereits gegen Affenpocken zugelassen. Die WHO wies kürzlich darauf hin, dass es nicht flächendeckend verfügbar sei. In dem neueren Impfstoff sieht Kollaritsch übrigens allenfalls ein Instrument, um Menschen zu impfen, die ein hohes Risiko haben, dem Erreger ausgesetzt zu sein, etwa Personal spezieller Isolierstationen: „Für die breite Bevölkerung wäre diese Impfung Unfug. Affenpocken sind wesentlich harmloser als die Pocken und infektionsepidemiologisch von viel geringerer Bedeutung. Wir müssen auch bedenken, dass eine sehr gute Therapie für Infizierte verfügbar ist.“

Schützen Windpocken vor Affenpocken?

Das Robert Koch-Institut (RKI) hielt fest, dass nach derzeitigem Wissen ein enger Kontakt für eine Erreger-Übertragung erforderlich sei, „deshalb kann gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Ausbruch begrenzt bleibt“. Empfohlen wird Isolierung beziehungsweise Quarantäne für Infizierte und ihre engen Kontakte. Kontakte von Infizierten müssen aus Expertensicht genau nachverfolgt werden. Wie man sich am besten schützen kann, darüber hatte rosenheim24.de bereits berichtet (Plus-Artikel).

Kürzlich keimte außerdem die Frage auf, ob man gegen das Affenpocken-Virus geschützt sei, wenn man bereits Windpocken hatte? Schließlich können ja beide Viren, Windpocken und Affenpocken, können durch engen Kontakt durch Aerosole und direkte Berührung mit betroffenen Hautstellen übertragen werden. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO, stellte jedoch gegenüber dem Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) eindeutig klar: „Das sind zwei ganz unterschiedliche Viren. Die haben trotz des Namens überhaupt nichts miteinander zu tun.“ Bei Windpocken handelt es sich um ein Herpes-Virus. Affenpocken ordnete Mertens dagegen als „Verwandte des ursprünglichen Menschenpockenvirus“ ein. Ein Schutz durch eine zurückliegende Windpocken-Infektion ist also nicht gegeben.

mw (mit Material von dpa)

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