Grundschule und Straße nach Schriftsteller benannt
Darf ein Antisemit Namensgeber sein? Traunstein hat ein Problem mit Ludwig Thoma
aktualisiert:
- 0 Kommentare
- Weitere
Bei Ludwig Thoma denkt man an die Lausbubengeschichten. Aber Thoma war eben auch ein rechter Hetzer und Judenfeind. Heute sind eine Straße und eine Grundschule in Traunstein nach ihm benannt. Geht das noch oder muss das weg?
Traunstein – „Wir Arier haben es am Ende nicht nötig, ruhig zuzusehen, wie schmierige Lausbuben, Tango- und Spinatburschen zu Christenpogromen hetzen.“ Ist jemand, der so etwas geschrieben hat, wirklich der Richtige, nach dem eine Straße und eine Schule benannt werden sollten? Diese Frage stellt man sich auch in Traunstein. Der beliebte Schriftsteller Ludwig Thoma ist zwar in erster Linie für seine „Lausbubengeschichten“ bekannt und beliebt. Aber er trägt auch ein düsteres Erbe mit sich, aus dem der blanke Antisemitismus spricht.
Anlässlich des 100. Todestages des Schriftstellers, wurde die Stadt wegen der problematischen Vergangenheit Thomas im vergangenen Jahr kontaktiert. „Dr. Christian Hümmer nahm die Thematik auf und lud mehrfach zu einer Expertenrunde ein. Gemeinsam erläuterte eine Runde aus Historikern, Schulvertretern und weiteren Beteiligten die Hintergründe und bildete sich im Laufe der Diskussion eine Meinung“, so Agnes Giesbrecht, Sprecherin der Stadt Traunstein auf Anfrage unserer Zeitung.
Erinnerungstafel statt Umbenennung
Denn neben einer Straße, die von der Rosenheimer Straße am Landratsamt vorbei zum Stadtpark führt, ist auch eine Grundschule nach Thoma benannt. Man wolle das schwierige Erbe anerkennen. „Es wurde angeregt, die Hintergründe direkt vor Ort zu erläutern, beispielsweise mithilfe einer Erinnerungstafel, die sowohl das literarische Werk Thomas als auch seine hetzerischen Schriften beleuchtet“, sagt Giesbrecht. Ausdrücklich befürwortet OB Hümmer (CSU) diesen Ansatz: „Ich halte grundsätzlich nichts von Straßenumbenennungen. Es ist viel sinnvoller, sich mit Ludwig Thoma umfassend auseinanderzusetzen. Für mich bleibt er der größte bayerische Dichter, mit einer sehr dunklen Seite.“
Zweiter „schwieriger“ Sohn der Stadt
Die Erinnerungstafel soll nun im Zuge der ohnehin anstehenden Arbeiten, bei denen das Landratsamt seinen direkten angrenzenden Vorplatz sanieren möchte, kommen. Der Vorplatz ist nach Papst Benedikt benannt, dessen Ehrenbürgerstatus derzeit wiederum von einer Kommission des Landkreises hinterfragt wird.
Was bleibt, ist jedoch das Problem an der Ludwig-Thoma-Grundschule in Traunstein. „Organisatorisch wäre es für uns ein sehr großer Aufwand, die Schule umzubenennen“, sagt Schulleiter Alexander Fietz. Gleichzeitig findet er, dass die Frage durchaus berechtigt ist. „Ein erstes Treffen gab es bereits Anfang April gemeinsam mit verschiedenen Personen des öffentlichen Lebens und des Stadtrats“, berichtet der Schulleiter im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Schwer einzuordnen für Grundschüler
Auch in Prien sind die Antisemitismusvorwürfe gegen Ludwig Thoma am gleichnamigen Gymnasium schon diskutiert worden. Nur gibt es dort schon altersbedingt andere Möglichkeiten, die problematischen Aspekte des Künstlers mit den Schülern zu diskutieren.
Das findet auch Fietz: „Mit Grundschülern kann man die ‚Lausbubengeschichten‘ diskutieren, bei denen es auch mal unter die Gürtellinie und auf die Kosten von anderen geht. Über so was kann man mit Kindern gut sprechen.“ Wobei Ludwig Thoma lediglich als Namensgeber zur Verfügung stehe, sein Werk werde nicht im Unterricht an der Grundschule behandelt. „Dafür sind unsere Schüler einfach noch zu jung“, sagt Fietz.
Er sieht außerdem noch eine andere Problematik: „Nach Artikel 131 der Bayerischen Verfassung sollen Schulen Wissen und Können vermitteln und Herz und Charakter bilden.“ Wie passt dazu also ein Titelgeber, der so schäbige Dinge geschrieben hat? Noch ist jedoch an der Ludwig-Thoma-Schule noch nichts entschieden, der Prozess läuft noch. „Diese Entscheidung wird die Schulfamilie treffen“, heißt es dazu aus dem Rathaus.