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Große Herzen und leere Taschen - Das Oktoberfest bietet Mühldorfern Arbeit und manchmal Verdruss

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Von: Josef Enzinger, Markus Honervogt

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Der Mühldorfer Matthias Brunner checkt regelmäßig den Wetterbericht. Er kommt bei schönem Wetter zum Einsatz, serviert die Massen im Schottenhammel.
Der Mühldorfer Matthias Brunner checkt regelmäßig den Wetterbericht. Er kommt bei schönem Wetter zum Einsatz, serviert die Maßen im Schottenhamel. © Enzinger

Noch ein langes Wochenende, dann ist das Oktoberfest vorbei. Viele Mühldorfer sind beruflich auf der Wiesn unterwegs. Sie haben viel Freude. Aber nicht nur.

Mühldorf/München – Der weiß-blaue Wagen der Süßen Linie Acht hält heuer am Käferzelt. Das, so berichtet Rudi Stey, hat direkte Auswirkungen auf sein Sortiment: „Wir haben ein gut betuchtes Publikum, teure, große Herzen sind sehr gefragt.“ Der Mühldorfer hat für das Münchner Oktoberfest vor 36 Jahren den Straßenbahnwaggon der Linie Acht nachbauen lassen, dem Ferdl Weiß einst ein musikalisches Denkmal setzte.

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Der schaut zwischen gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Herzen auf die Besucher und bekommt so hautnah mit, was heuer gut geht. Stey formuliert es so: „Es läuft gar nicht schlecht.“

Das kann Matthias Brunner noch nicht sagen. Der Student der Elektrotechnik schleppt zum ersten Mal Maßkrüge auf der Wiesen – oder genauer: würde sie gerne schleppen. Denn sein Job im Gastgarten vom Schottenhamel ist nicht sehr gefragt: Mieses Wetter hat die Stimmung in den vergangenen Tagen verdorben.

Im Biergarten ist noch keine Stimmung

Bis zu zwölf Maßen könnte der durchtrainierte 24-Jährige an die Tische tragen, auch Tabletts voller Essen, wenn es denn Gäste gäbe. Der Mühldorfer weiß aus Erfahrung, wie schön die Arbeit im Biergarten ist. „Es macht einfach unglaublich Spaß“, erzählt er von seinen Erfahrungen am Chinesischen Turm, wo er sich im Sommer etwas dazu verdient. „Man redet mit den Gästen, ist draußen, bewegt sich, die Leute sind gut drauf.“

Während der Maßenschlepper das gerne auf der Wiesn erleben würde, kann Stey schon davon zehren: „Die Leute haben eine Riesenfreude“, erzählt er. Sie seien ausgelassen und spendierfreudig. „Gab es früher mal vier oder fünf Euro Trinkgeld, sind es heuer auch schon mal zehn fürs ganze Team.“ Das besteht aus fünf Mitarbeitern, die sich durchwechseln, um die langen Schichten von morgens neun bis nachts um Zwölf durchzuhalten.

Günther Langgartner feiert in diesem Jahr mit den Heldensteinern sein Silbernes Musikerjubiläum. Er hat noch keinen Tag bereut.
Günther Langgartner feiert in diesem Jahr mit den Heldensteinern sein Silbernes Musikerjubiläum. Er hat noch keinen Tag bereut. © Josef Enzinger

Zu den Mühldorfern auf der Wiesn gehört neben Musikern (siehe unten) auch Jasmin Kanz. Für sie endet das Oktoberfest aber nicht um 24 Uhr. Denn die 31-Jährige sorgt dafür, dass Besucher aus der Region nach dem Wiesn-Besuch sicher nach Hause kommen. Kanz ist Zugbegleiterin der Südostbayernbahn (SOB) und ganz im Wiesenfieber. „Alle sind gut drauf“, erzählt sie, „die Stimmung in den Zügen ist super.“

Auf der Hinfahrt morgens ist es entspannt, nachts zurück manchmal spannend. „Da schießt schon mal der eine oder andere übers Ziel hinaus“, erzählt sie und meint das wörtlich. „Wir haben schon einige aufgeweckt, damit sie in Dorfen aussteigen und nicht in Mühldorf landen.“

Mehr und größere Waggons

Die SOB hat während des Oktoberfests die Kapazität erhöht. „Wir ersetzen die Triebwagenverbindungen durch Doppelstockwagen. Zudem verstärken wir unsere Züge“, sagt eine Sprecherin. Außerdem wurde die Wochenendreinigung verstärkt. „Unter der Woche ist der Andrang nicht so hoch.“

Auf mehr Gäste und vor allem besseres Wetter setzt Schottenhamel-Kellner Matthias Brunner. Nicht nur des Spaßes an der Arbeit wegen. Es geht für den Studenten natürlich auch ums Geld. Er ist am Umsatz beteiligt, wie viel er bekommt, darf er nicht sagen. Nur das: „An den ersten Tagen habe ich nichts verdient.“ Das miese Wetter und die meist entspannte Situation in den Zelten trugen dazu bei, dass keine Gäste im Biergarten saßen.

Arbeitskleidung selbst kaufen

Dabei ist es wichtig, dass Geld fließt, schließlich müssen sich die Bedienungen in den Wiesenzelten selbst einkleiden. Die Weste der Brauerei, dazu eine schwarze Hose, ein weißes Hemd – wer das nicht hat, muss es kaufen. „Ich hoffe auf zwei bis drei gute Tage“, sagt Brunner, „dann macht es sicher richtig Spaß.“

Reichen die Herzen?

Wer auf die Wiesn kommt, soll gerne mal vorbeischauen, sagen die Mühldorfer, die dort arbeiten. Und wer seiner Liebsten oder seinem Liebsten ein Herzerl schenken will, kann sich auf die Favoriten am Stand der süßen Linie Acht verlassen. „I mog di“ und die Preußenvariante „Ich liebe Dich“ stehen besonders hoch im Kurs. Nicht sehr originell, gibt Stey zu, aber eben sehr beliebt.

Bärbel und Rudi Stey freuen sich, dass endlich wieder eine Wiesn stattfinden kann. „Die Leute sind freundlicher als vor Corona!“
Bärbel und Rudi Stey freuen sich, dass endlich wieder eine Wiesn stattfinden kann. „Die Leute sind freundlicher als vor Corona!“ © Josef Enzinger

Und das ist schon die einzige Sorge, die den Mandelbrater umtreibt: Dass die Herzerl bis zum Ende reichen. Denn nachbestellen kann er kaum. Stey spricht von Lieferschwierigkeiten, die es im Vorfeld gegeben habe. Als Stammkunde bei den Herstellern habe er alle Herzerl bekommen, die er wollte.

Die Mandeln gehen nicht aus

Damit ist die Wiesn in der Wirklichkeit angekommen, in Zeiten von Lieferenpässen und Materialmangel. Eine Gewissheit aber bleibt, falls die Lebkuchenherzen nicht reichen, sagt Stey: Mandeln und Zuckerwatte gehen sicher nicht aus. Und bieten Wegzehrung für die letzte Bahn, in der Zugbegleiterin Kanz und ihre Kollegen dafür sorgen, dass jeder sicher nach Hause kommt.

Tipps für die Zugfahrt

Für das Wochenende rechnet die SOB mit noch mehr Fahrgästen. Denen empfiehlt sie, bis zum Ost- oder Hauptbahnhof zu fahren und dann mit der S-Bahn zur Hackerbrücke oder mit der U-Bahn zur Theresienwiese. Ab dem Holzkirchner Flügelbahnhof im Münchner Hauptbahnhof geht es auch zu Fuß zur Wiesn.

Von wegen keine Blasmusik: Mühldorfer heizen der Wiesn ein

Heimische Blasmusiker sind seit Jahren auf dem Oktoberfest aktiv. Sie spüren von Volksmusikmüdigkeit wenig, wollen zu dem derzeit heftig diskutierten Thema aber nichts sagen.

Martin Stadler, Tenorhornist in der Kapelle Josef Menzel. Er spielt in der Bräurosel: „Ich habe mich immer auf die Wiesn gefreut, jetzt hab ich mich zwei Jahre lang darauf gefreut.“ Dass der Andrang im Bräurosl-Zelt weniger geworden wäre, kann der Tenorhornist nicht feststellen: „Die Leute sind gut drauf. Man merkt nicht, dass es weniger Besucher sind“, sagt der Oberbergkirchener, der seit Jahren nach München fährt, um zu musizieren. Eigentlich im Armbrustschützenzelt, heuer zum ersten Mal bei Josef Menzl in der Kapelle.

Martin Stadler, Tenorhornist bei Josef Menzel, findet nicht, dass die Oktoberfest-Besucher zurückhaltender geworden sind: „Sie feiern ausgelassen. Wie vor Corona!“
Martin Stadler, Tenorhornist bei Josef Menzel, findet nicht, dass die Oktoberfest-Besucher zurückhaltender geworden sind: „Sie feiern ausgelassen. Wie vor Corona!“ © Josef Enzinger

Jeder Tag ist super

Günther Langgartner aus Mühldorf tritt im Löwenbräuzelt auf. Er könnte ein Buch darüber schreiben, was er in einem Vierteljahrhundert alles erlebt hat. Seit 25 Jahren ist er mit den Heldensteiner Musikanten auf der Wiesn. „Damals waren wir noch junge Burschen, da dachten wir uns: Das probieren wir jetzt mal. Und siehe da: Wir sind immer noch mit dabei. Ich habe keinen Tag bereut.“ Langgartner, musikalischer Leiter der Stadtkapelle Mühldorf, schwärmt: „Es ist jeder Tag super. Es herrscht eine Riesenstimmung.“ 14 Tage seien anstrengend, aber der Ansatz hält, sagt der Trompeter, „von 12 Uhr mittags bis zum Schluss“. Von Corona keine Spur: „Im Zelt merkt man zumindest nix davon. Die Stimmung ist wie vor Corona.“

Schon als Student auf der Bühne

Sepp Eibelsgruber spielt seit 30 Jahren auf der Wiesn: „Damals als Student hab ich begonnen. Das ist ein Virus, der einen nicht mehr loslässt. Ein gesunder Virus, darum mach ich es so gerne.“

Rechts ein Münchner im Himmel, links ein Neumarkter auf dem Podium: Sepp Eibelsgruber spielt schon seit 30 Jahren auf der Wiesn.
Rechts ein Münchner im Himmel, links ein Neumarkter auf dem Podium: Sepp Eibelsgruber spielt schon seit 30 Jahren auf der Wiesn. © Josef Enzinger

Ein bisserl merkt man es schon, dass Corona die Leute zurückhaltender macht, sagt Eibelsgruber, „der Besuch ist dennoch gut. Die Leute feiern ausgelassen, wie eh und je. Und je weiter der Tag voranschreitet, sowieso.“

Keine Angst vor Ansteckung

Angst vor einer Ansteckung mit Corona hat Eibelsgruber nicht: „Wer fast drei Jahrzehnte da heroben steht, hat wahrscheinlich schon so viele Bakterien und Viren aufgesogen, dass man relativ gut über die Runden kommt.“ Aber: Eibelsgruber unterschätzt die Gefahr nicht: „Ich mache immer wieder meinen Corona-Test. Bis jetzt immer negativ.“

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