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„Ich bin gegen das Impfen“ - So überrascht ein Angeklagter mit gefälschtem Corona-Impfpass

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Von: Markus Honervogt

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Genau hingeschaut hat eine Apothekerin in Mühldorf und so einen gefälschten Impfausweis entdeckt. Polizisten fanden den Pass bei Ilas T. Er stand jetzt in Mühldorf vor Gericht.
Genau hingeschaut hat eine Apothekerin in Mühldorf und so einen gefälschten Impfausweis entdeckt. Polizisten fanden den Pass bei Ilas T. Er stand jetzt in Mühldorf vor Gericht. © picture alliance/dpa/dpa-Zentral

Ein Dickicht von Tatsachen und Unwahrheiten, Eigenartigkeiten und Polemisierungen im Streit um eine angebliche Corona-Impfpass-Fälschung: Wegen der steht Ilas T. (Name geändert) vor dem Mühldorfer Amtsgericht. Er gibt dem Richter überraschende Antworten.

Mühldorf – Ilas T. soll am 1. Dezember 2021 einen gefälschten Impfausweis in der Stadtapotheke vorgelegt haben, um ein digitales Zertifikat zu erhalten. Die Apothekerin bemerkte den Betrug und rief die Polizei. Die traf bei ihrer Ankunft die Frau T.s und eine Bekannte in der Apotheke an – und Ilas T. in dem Friseursalon, in dem er arbeitet. Mitsamt seinem gefälschten Impfausweis.

Richter Greifenstein ist überrascht

So weit, so klar. Doch wie der Impfausweis zu Ilas T. kam, wer ihn gefälscht oder vorgezeigt hat, was das alles mit der Corona-Politik zu tun hat, das ist Thema für Amtsrichter Florian Greifenstein.

Und der steht mehr als einmal kurz vor dem Verzweifeln – und ist angefressen, als er die Parteien nach einer knappen Stunde mit einem mürrischen „Auf Wiederschauen“ entlässt. Vorläufig. Denn das Verfahren geht jetzt von vorne los.

Den Arzt gibt es, Unterschrift und Stempel sind falsch

T. ist Barbier, 63 Jahre alt. Eine Dolmetscherin übersetzt für ihn ins Serbokroatische, als Staatsanwalt Nils Wewer von Urkundenfälschung spricht. Ilas T.s Impfausweis ist versehen mit zwei Corona-Impfeinträgen vom 20. September und vom 27. Oktober, auch die Chargennummern des Impfstoffs sind vermerkt. Unterschrieben hat ihn ein Dr. Miller (Name geändert) aus München.

Den gibt es zwar, seine Unterschrift und Stempel in Ilas T.s Impfpass sind aber falsch. Und die Chargennummern auch.

Angeklagter akzeptiert Strafbefehl nicht

Die Staatsanwaltschaft schickte T. einen Strafbefehl über 5400 Euro, den der 63-Jährige nicht akzeptierte. Der Grund: Er habe keinen Ausweis gefälscht und keinen gefälschten Ausweis besessen. „Er war auch nicht in der Apotheke.“ Das sagt Josef Neuberger, der Rechtsbeistand T.s.

Da schluckt Richter Greifenstein zum ersten Mal. Denn nach seinen Unterlagen gibt es keinen Zweifel daran, dass T. den gefälschten Ausweis bei sich hatte. Weil das laut Akten so offensichtlich ist, sind keine Zeugen geladen, das Gericht rechnet mit einem Schuldeingeständnis.

Aktenlage ist eindeutig, Geständnis bleibt trotzdem aus

„Das sieht nach der Akte eindeutig aus. Es sieht nicht so aus, als ob der Angeklagte nicht da war“, sagt Greifenstein und schüttelt den Kopf. „Die Polizei hat die Zeugin aus der Apotheke vernommen. Ich dachte, das könnte nicht strittig ein.“

Es geht in Richtung Eskalation

Die Sitzung geht in Richtung Eskalation. Verteidiger und Staatsanwalt reden durcheinander. Die Dolmetscherin versucht, T. die Diskussionen zu übersetzen. Verteidiger Neuberger fragt seinen Mandaten und gibt die Antworten gleich mit: „Waren Sie in der Apotheke? Nein. Haben Sie dieses Schriftstück in der Hand gehabt? Nein.“ Und außerdem sei die Polizei ohne Masken reingekommen.

Aktuelle Artikel und Nachrichten finden Sie in unserem Dossier zur Corona-Pandemie

Richter Greifenstein kündigt an, abzubrechen und ein neues Verfahren samt Zeugenbefragung anzusetzen. Staatsanwalt Wewer droht: „Wir können auch mit dem Strafmaß raufgehen.“ Verteidiger Neuberger attackiert die Bundesregierung, deren Corona-Maßnahmen er unverständlich nennt. „Wenn ich mir die ganze Gaudi anschaue, muss man sich schon fragen, wer wann wofür zuständig war.“ Und er kritisiert, dass die Gesetzeslage zur Fälschung vom Impfausweisen im November 2021 kurzfristig verschärft worden sei.

Angeklagter: „Ich bin gegen das Impfen“

Richter Greifenstein versucht es erneut. „Es sieht so aus, als ob das stimmt, was in der Akte steht“, wiederholt er seine Einschätzung. Bei einem Geständnis ließe sich über eine geringere Strafe reden, sagt er und bringt 2100 Euro ins Spiel.

Es hilft nichts, T. lenkt nicht ein. Er sagt nur noch: „Ich bin gegen das Impfen.“ Greifenstein lässt nicht locker. „Warum gibt es dann diesen Impfausweis?“ Eine Antwort geben weder der Verteidiger noch Ilas T.

Wiedersehen vor Gericht

Die gibt Greifenstein schließlich selbst. „Die einzige vernünftige Erklärung ist doch, er wollte nachweisen, dass er geimpft ist. Das nützt doch nur ihm und sonst niemandem.“ T. sagt: „Meinen Namen muss jemand eingetragen haben.“ Greifenstein sagt: „Es ist offensichtlich sinnlos. Es bleibt nichts anderes übrig, als ein neues Hauptverfahren aufzusetzen.“

Wann das kommt, bleibt offen. Greifenstein sagt nur noch: „Auf Wiederschauen.“

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