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Ein Jahr in Deutschland: So geht es den ukrainischen Schülern am Garser Gymnasium

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Von: Karlheinz Günster

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Gunter Fuchs ist der Schulleiter des Garser Gymnasiums. In der „Brückenklasse“ der Schule werden Kinder aus der Ukraine unterrichtet.
Gunter Fuchs ist der Schulleiter des Garser Gymnasiums. In der „Brückenklasse“ der Schule werden Kinder aus der Ukraine unterrichtet. © Günster

Seit einem Jahr sind zwölf Kinder aus der Ukraine am Garser Gymnasium. Was für die Kids die größten Herausforderungen sind und wie sie sich in der Region eingelebt haben.

Gars – Ukrainische Flüchtlinge am Garser Gymnasium bedeuten nicht nur die freudige Erfahrung, dass zumindest diese Kinder in Sicherheit sind, sondern bringen auch die Herausforderung mit, ihnen einen angemessenen Schulunterricht anzubieten. Wie sehen das die Betroffenen?

Zwölf Kinder besuchen derzeit die sogenannte Brückenklasse. Innerhalb des gemeinsamen Stundenplans dreht sich nahezu alles um die Sprache Deutsch mit Wortschatztraining, Sprachanalyse, Lektüre und Konversation, ergänzt durch Landeskunde. Nach Möglichkeit folgt stundenweise weiterer Unterricht in den Regelklassen.

Wichtig ist für die Schule die Feststellung, wo sich die Kinder leistungsmäßig befinden, denn nicht alle Abschlüsse auf dem Papier oder Zeugnisnoten lassen sich mit den hiesigen vergleichen. Hinzu kommt die deutsche Sprache, ohne deren gute Beherrschung kein sinnvoller Schulbesuch und erst recht kein Abitur möglich ist.

Verhältnismäßig großer Aufwand

Gunter Fuchs sieht als Schulleiter des Gymnasiums das größte Hindernis in der Verständigung. Doch diesbezüglich habe man „großes Glück“, denn eine angestellte Fachkraft beherrscht die ukrainische Sprache. „Sonst wüssten wir nicht, wie wir das effizient machen sollten.“

Die Betreuung der Klasse bedeute aber auch einen verhältnismäßig hohen Aufwand, auch über das Schulische hinaus. Etwa wenn Kinder schlecht sehen oder Zahnweh haben, dann vermitteln er und seine Helfer ganz pragmatisch einen Termin beim Arzt. Benötigt werden zudem Bücher, Hefte und Unterrichtsmaterial bis hin zur Kleidung. Freiwillige unterstützen glücklicherweise in allen Bereichen, darunter drei Schülereltern des Gymnasiums und auch Schülerpaten aus anderen Klassen. Geld fließe aus zwei Stiftungen. „Würden wir für alles Anträge stellen oder Geldquellen suchen müssen, dauerte das viel zu lange, so etwas muss ja schnell gehen.“ Bei diesem zusätzlichen Organisationsaufwand gehen stets einige Wochenstunden drauf, sonst sei das nicht zu bewältigen, erklärt Fuchs. Das tue man aber gerne und dabei fühle er sich von der Politik auch nicht im Stich gelassen. Im Gegenteil, Schulamt und Landkreis unterstützten. „Das hat sich alles sehr gut entwickelt“, beschreibt der Direktor die Situation.

Der Stundenplan der Brückenklasse.
Der Stundenplan der Brückenklasse. © Günster

Andrey Raievskyi ist zehn Jahre alt und wohnt mit seiner Mutter zusammen in Wasserburg. Er sei gut aufgenommen worden, andernorts gab es Probleme „mit anderen Jungs“, aber hier fühlt sich Andrey wohl. Mag er wieder heim? „Noch nicht“, wenn er es sich aussuchen könnte. Einheimische habe er kennengelernt, aber meistens verbringt er die Freizeit mit Kindern aus der Brückenklasse. Auch mit einem russischsprachigen Deutschen ist er zusammen. Hat er Wünsche? Nein, er sei erst umgezogen. „Wir haben fast alles bekommen, was kann ich mir sonst wünschen?“, fragt er. Und: Es sei „cool, dass ich neben McDonalds wohnen kann“. Ablehnung habe er bisher nicht erfahren.

Andrey Raievskyi
Andrey Raievskyi © Günster

Yelysaveta Riabokon ist 17 Jahre alt und lebt in einer Flüchtlingsunterkunft des Landkreises. Weil ihr Vater daheim in der Nähe von Charkiw geblieben ist, möchte auch sie wieder zurück, „sonst eher nicht“. „Das Bildungssystem ist daheim schwächer, die Organisation des Lebens ist hier besser, auch die Natur und die Sauberkeit.“ Die Sprache sei eine Herausforderung, aber Yelysaveta lernt gerne und möchte bald Museen besuchen und die Kultur kennenlernen. Ihr Berufswunsch ist Polizistin. Sie stellt hier fest, „dass das ganze Land hilft, beim Einkaufen ist keiner irritiert, wenn ich mich nicht richtig ausdrücken kann, sondern alle helfen, obwohl niemand dazu verpflichtet ist. Trotzdem wird es gemacht, das ist erstaunlich“, findet sie. Ablehnung hat sie bisher nirgendwo erfahren.

Yelysaveta Riabokon
Yelysaveta Riabokon © Günster

Viktoriia Shevchenko ist 17 Jahre alt, kommt aus Odessa und wohnt mit ihren Eltern und dem zweijährigen Bruder in Maitenbeth. Der Vater kann hier glücklicherweise arbeiten. Später möchte sie gerne Architektin werden. Für sie ist der Kontrast aus der großen Stadt hin zum ländlichen Gars deutlich.

Viktoriia Shevchenko
Viktoriia Shevchenko © Günster

Daheim gibt es viel mehr Einkaufsmöglichkeiten, und die Menschen helfen einander mehr. Fremde bieten Hilfe an, selbst im überfüllten Bus mit Hamster im Gepäck, berichtet sie, so etwas habe sie hier noch nicht erlebt. Kontakt zu Deutschen? „Ich brauche nicht viele Freunde, anders als mein kleiner Bruder, der ist mit allen und überall befreundet.“ Gibt es Wünsche? „Nein, es wird viel mehr gemacht als man sich wünschen kann.“ Selbst hat sie hier keine Ablehnung erlebt. Nach dem Krieg möchte sie wieder nach Hause und dort das weiterführen, was sie schon vor Jahren begann, nämlich bestehende Kontakte nach Deutschland festigen und die Gäste beim Studium in der Ukraine unterstützen.

Als Ehrenamtliche angefangen

Katharina Schwarzenböck ist in der Ukraine geboren, wohnt seit elf Jahren in Deutschland, ist gelernte Juristin und übersetzt in die Sprache dieser Schüler.

Katharina Schwarzenböck
Katharina Schwarzenböck © Günster

Mit Beginn des Krieges hat sie sich zunächst als Ehrenamtliche gemeldet und wurde dann über die Schule vom Staat angestellt. Sie ist auch für das Landratsamt in der Integrationsberatung tätig. „Es macht sehr viel Freude, und den Jugendlichen geht es hier gut. Das ist besser als ein Danke.“ Gibt es Wünsche? „Nein, die Schüler sind fleißig, und über kleinere Probleme können wir offen sprechen.“ Manche Eltern haben aber hohe Erwartungen und geben ihren Kindern mit: Zeig mal, was du kannst. Das erhöht manchmal unnötigerweise den Druck. Glücklicherweise sei man aber „ständig mit den Eltern im Austausch“. Mit der Politik „bin ich sehr zufrieden, in unserem Landkreis gibt es Mittel und Personal, es werden Lösungen gefunden“. Trotzdem wäre „mehr Unterstützung für Lehrkräfte und Integrationsmitarbeiter, auch finanziell, gut“.

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