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Heiße Luft oder echte Mitsprache? Was nach der Bürgerbeteiligung umgesetzt und angepackt wurde

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Von: Daniela Haindl

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Die Burghauser Bürgerbeteiligung im Bürgerhaus war ein großer Erfolg.
Im Bürgerhaus wurde diskutiert, wie die Neustadt in Zukunft aussehen soll. © Haindl

Drei größere Bürgerbeteiligungsprozesse fanden im Jahr 2022 in Burghausen statt: Zur Zukunft der Alt- und Neustadt und zur Steigerung der Nachhaltigkeit. Doch was wurde und wird tatsächlich umgesetzt?

Burghausen – Ob beim Treffen des Bürgerrates Ende März, beim Bürgerbeteiligungsprozess zur Gestaltung der Altstadt oder bei „Burghausen findet NEU statt“, einem Beteiligungsprozess im November. Die Bürger von Burghausen konnten im Jahr 2022 gehörig mitreden – vorausgesetzt sie wollten. Bestimmte Themen kamen bei jeder Beteiligung auf, beispielsweise der Wunsch nach PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Häusern, mehr Bäumen, einem durchgängigen Radwegenetz oder mehr Parkplätzen und mehr Leben in der Altstadt. Hier ein Überblick was am Ende von der Stadt bereits umgesetzt oder angepackt wurde.

Energie und Klima

„Wir wollen bis zum Jahr 2035 unsere städtischen Liegenschaften energetisch saniert haben und damit entsprechend CO2 einsparen. Bis zum Jahr 2030 sollen möglichst 100 Prozent der benötigten Energien für Haushalte, Industrie und Gewerbe (ohne Chemieunternehmen) aus erneuerbaren Trägern bereitgestellt und somit mindestens 40 Prozent CO2 eingespart werden in der Strom- und Wärmeversorgung.“ (Leitsatz der Stadt Burghausen)

Bürger und Politik waren sich einig, dass bei der Energiethematik schnell gehandelt werden müsse. Aktuell treibt der Burghauser Bürgermeister, Florian Schneider (SPD), die künftige Versorgung der Stadt mit Fernwärme voran. Untersuchungen zu den Bohrungen sollen klarstellen, ob Fernwärme aus Halsbach für Burghausen auch wirtschaftlich ist. Schneider zeigte sich bei vergangen Sitzungen zuversichtlich, dass dies innerhalb des Jahres 2023 feststehen. Auch Abwärme von der Wacker-Chemie soll in Zukunft genutzt werden. Entscheidende Punkte für die Schaffung eines rentablen Netzes seien Förderrichtlinien und -mittel. Mit der stadteigenen Energieversorgungsgesellschaft und Energieberatung will Burghausen seinen Bürgern außerdem einen Weg zum Energiesparen bieten. Im Kommunalen Denkmalkonzept soll außerdem festgelegt werden, auf welchen Hausdächern der Altstadt PV-Anlagen möglich sein werden.

Wirtschaft und Arbeit

„Wir unterstützen die Entwicklung einer zukunfts- und wettbewerbsfähigen, ökologisch tragfähigen sowie sozial verantwortlichen regionalen Wirtschaftsstruktur mit dem Ziel, die Industrie zur Klimaneutralität zu transformieren. Die Industrieunternehmen im ChemDelta haben sich eigene Klimaziele gesetzt und verpflichten sich zu den Klimazielen von Bund und Land und wollen diese schneller erreichen. Wir als Stadt wollen in diesem Bestreben bestmöglich unterstützen, unter anderem mit dem Reallabor.“ (Leitsatz der Stadt Burghausen)

In Bezug auf das Projekt „Reallabor“ unterstützte der Burghauser Bürgermeister die ansässige Chemie dabei, die Politik auf die Dringlichkeit von Förderanträgen aufmerksam zu machen. Die Chemie forderte einen Genehmigungsturbo: Die Geschwindigkeit der Bearbeitung des Förderantrages für das Reallabor sei lähmend, so Dr. Peter von Zumbusch, Leiter des Burghauser Werkes der Wacker Chemie AG.

Bei einer Sondersitzung des Stadtrats im September 2022 zum Nachhaltigkeitskonzept wurde das Thema „PFOA“ als größter Entwicklungshemmer für Burghausen verstanden. Mehrere Kreisräte aus Burghausen hatten auch in diversen Kreistagssitzungen auf Lösungen für PFOA-belasteten Erdaushub gedrängt. „Die Schaffung einer DK1 Deponie wird uns in die Lage versetzen, jegliches Bodenmaterial dort unterzubringen“, sagte Dr. Robert Müller vom Landratsamt. Der Plan sei innerhalb von drei Jahren umsetzbar, das Ministerium befürworte die Lösung und stehe hinter dem Landkreis. Als Standorte sind Kiesgruben in Haiming, Kastl und Burgkirchen im Gespräch. Aktuell arbeitet das Landratsamt an einer Zwischenlösung.

Bremsend auf die Wirtschaft wirkte sich auch die Bürokratie in Deutschland aus: Zwei Jahre lang waren die Pläne für die Ortsumfahrung in einer Behördenschublade verschwunden, sagte Altbürgermeister Hans Steindl (SPD) bei einer Kreistagssitzung. Bezüglich der Bahnüberquerung in Pirach werde seit vier Jahren wegen der Kosten gestritten, und man käme keinen Schritt weiter, sagte auch der Burgkirchner Bürgermeister Johann Krichenbauer (FW). „Das ist alles so verworren und dauert 15 bis 20 Jahre: Das muss man der Bevölkerung mal erklären“, schloß Steindl die Diskussion, bei der es unter anderem um die nötige Neuplanung des Krakens vor Burghausen ging. Auch auf diese Pläne wird noch gewartet.

Salzachzentrum, Campus und Schulen

„Wir wollen durch entsprechende Bildungsmaßnahmen das ganzheitliche Wissen über Nachhaltigkeit ausbauen, um so den persönlichen CO2-Fußabdruck jedes einzelnen Bürgers in Burghausen zu verringern. Nur durch einen veränderten Lebensstil eines Jeden lässt sich die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen.“ (Leitsatz der Stadt Burghausen)

Das Salzachzentrum in der Burghauser Neustadt stellt einen ganz eigenen Themenkomplex dar. Bürgermeister Florian Schneider gab bei vergangenen Stadtratssitzungen an, Gespräche mit der VR-Bank als Investor zu führen. Bereits im Januar 2023 sollen Pläne für das Areal präsentiert werden. Auch der Bau eines Technikums für den Campus Burghausen soll noch dieses Jahr begonnen werden. Im Bereich „Bildung“ wurden 2022 weitere wichtige Weichen gestellt: So wird die Hans-Kammer-Schule in der Neustadt aufgestockt und im April 2024 soll das neue Stockwerk schon bezogen werden können. Auch die Pestalozzischule zieht dann aus der Altstadt in die Kammerer-Schule um. Im Sommer 2024 soll dann die Sanierung der Hans-Stethaimer-Schule in der Altstadt gestartet werden. Für jüngere Kinder werden aktuell im einstigen Pfarrsaal des ZULF 50 weitere Kindergartenplätze geschaffen. Und für das Freizeitvergnügen der Kinder (und Erwachsenen) entsteht im Frühjahr ein neuer Skate und Bikepark am Waldpark Lindach.

Mobilität, Bäume und weitere Themen

„Wir wollen den CO2-Austoß bis 2030 im Verkehr um 40% reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, investiert die Stadt in Infrastruktur für Fahrrad, ÖPNV und E-Mobilität, damit PKW-Fahrten reduziert und attraktive Alternativen geschaffen werden.“ (Leitsatz der Stadt Burghausen)

Das Radwegenetz in Burghausen war bereits länger auf der Agenda des Bürgermeisters. Viele Bürger beklagten das abrupte Ende mancher Wege und die „unsicheren“ Querungen über Straßen. Die Bürgerbeteiligung in der Altstadt brachte zusätzlich die Problemstelle „Herzogs- und Ludwigsberg“ in den Fokus. Auch um überdachte Radabstellplätze wurde wiederholt gebeten. Sch Anfang 2022 war bereits beschlossen worden, dass der Radweg nach Raitenhaslach nicht ausgebaut aber ausgebessert werden solle. Beim dem Salzachradweg nach Haiming konnte man sich dagegen bislang nicht einig werden. Innerhalb der Stadt sei eine Fahrradstraße in der Lindacher und Marienberger Straße sowie die Entwicklung einer Fahrradstraße von der Marienberger Straße zum Berliner Platz geplant.

Viele Bürger wünschten sich außerdem eine höhere Taktung und eine Ausweitung des Citybus-Fahrplans. Im Juli 2022 wurde bereits die Beschilderung der Haltestellen verbessert und der Mehringer Rufbus eingeführt. Dieser wurde allerdings bisher sehr schlecht angenommen. Wegen einer Personalknappheit bei Busfahrern sei eine Lösung schwierig, so Schneider. Im Jahr 2023 sollen aber zehn Bushaltestellen mit Digitalanzeigen ausgestattet werden.

Auch bei der Verkehrsberuhigung war die Stadt rührig. So wurde am Umgehungsberg bereits Anfang 2022 das Tempo auf 50 km/h reduziert. Auch am Stadtplatz darf inzwischen nur noch Tempo 30 gefahren werden. In Bezug auf Parkplätze gibt es aktuell keine größeren Veränderungen. Bei 837 Parkplätzen für 1800 Anwohner war das Thema vor allem während der Bürgerbeteiligung zur Zukunft der Altstadt emotional diskutiert worden. Beim Thema „Leerstand“ wurde sowohl seitens der Bürger und Politik ein Kataster gewünscht, das nun ein Altstadtmananger aufstellen soll - auch sein Posten war Ergebnis des Bürgerbeteiligungsprozesses zur Altstadt.

Seit dem 1. Dezember besetzt der 51-jährige Tobias Hanig die Stelle des Altstadtkümmerers und wird ab dem Frühjahr ein Büro in den Grüben beziehen. Er will Mieter für die Läden In den Grüben finden. Dass das Problem nicht die fehlenden Interessenten sind, weiß Anton Steinberger, Geschäftsführer der Burghauser Wifög, schon lange: Am Ende sei es aber meistens das Geld an dem die Pläne scheiterten. Die Preise für die Immobilien seien laut Steinberger häufig zu hoch für Interessenten oder Besitzer hätten zu lange zu wenig in ihre Gebäude investiert.

Vor allem in der Neustadt wünschten sich Bürger mehr Bäume, und in der Altstadt weniger „Betonwüste“ vor dem Rathaus. Es war vorgeschlagen worden mit „Umsonst und Draußen“-Aktivitäten auf dem Stadtplatz den frischen Wind durch die Bürgerbeteiligung aufrechtzuerhalten. Dem ist die Stadt bisher nicht nachgekommen, was aber sicherlich an der Jahreszeit lag. Eines ist jedoch sicher: Die Stadt Burghausen hat ihre Hausaufgaben gemacht.

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