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Mehr Transparenz und Lärmschutzmessungen mit ungewissem Ziel

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Von: Peter Becker

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Befürworter weiterer Schallschutzmaßnahmen hatten Heißgetränke für die Hilfskräfte von Polizei und Feuerwehr vorbereitet. Die Diskussion wurde über Lautsprecher auch nach draußen übertragen, obwohl praktisch alle, wenn auch nur stehend, im Rattenkirchener Bürgerhaus Platz fanden.
Befürworter weiterer Schallschutzmaßnahmen hatten Heißgetränke für die Hilfskräfte von Polizei und Feuerwehr vorbereitet. Die Diskussion wurde über Lautsprecher auch nach draußen übertragen, obwohl praktisch alle, wenn auch nur stehend, im Rattenkirchener Bürgerhaus Platz fanden. © pbj

Rattenkirchen/Kreis Mühldorf - Wie weit beim Thema A94 Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, davon konnte man sich am Freitagnachmittag im Rattenkirchener Bürgerhaus überzeugen.

Einerseits hochrangige Regierungsbeamte, wie die Präsidentin der Regierung von Oberbayern, Maria Els, oder der Präsident der Autobahndirektion Südbayern, Michael Kordon, deren Unterlagen belegen, dass beim Bau des Teilstücks von Pastetten bis Heldenstein alles rechtmäßig abgelaufen ist. Andererseits viele entrüstete Anwohner und inzwischen sogar Bürgermeister, Gemeinde- und Landräte, die Nachbesserungen fordern und vor allem die Informationspolitik beklagen.

So zum Beispiel der Erdinger Landrat Martin Bayersdorfer(CSU), dessen Landkreis sogar von zwei Autobahnteilstücken durchquert wird. „Wie kann es sein, dass man die A92 nachbessert und gleichzeitig so eine A94 abgenommen wurde?“, fragte der Landrat in Richtung der Regierungspräsidentin. Auch ließ Beyersdorfer durchklingen, dass er zwar ein Freund Öffentlich-Privater-Partnerschaften(ÖPP) sei, dass er aber inzwischen zweifle, ob sich solche Versuche für den Autobahnbau eignen. 

Eine Privatgesellschaft hatte 2016 als erst siebte deutschlandweit den Auftrag zum Bau des Teilstücks bekommen. Ziel war es, den Bau zügig und zielstrebig voranzutreiben. Was bis 2005 ausschließlich von behördengeleiteten Arbeitsgemeinschaften erledigt wurde, wurde aus Kostengründen dann auch wie in anderen Ländern durch Privatgesellschaften ermöglicht. Laut der Homepage der Isentalautobahn & Co. KG kam der Staat aber nur für etwa 40 Prozent der wirklichen Baukosten auf. Den Rest trugen Privatinvestoren.

„Ich hab ja jetzt auch diese Betonpiste vor dem Haus“

Das Ergebnis erzürnt die Lärmgeplagten, die von Teilstücken sprechen, bei denen „an allem gespart“ wurde. Nicht nur an den Lärmschutzvorrichtungen, die im Zuge von Revisionen des Planfeststellungsverfahrens in den Jahren 2009, 2013 und 2015 von „schallabsorbierendem Material“ auf „durchsichtigen Schallschutz“ bis hin zu „teilweise gar nichts mehr“ reduziert wurden, "wo vorher aber etwas vorgesehen gewesen" sei, wie eine Betroffene erinnert. Dem widerspricht Regierungspräsidentin Maria Els vehement: „Es hat im Zuge der Planfeststellungen nirgends eine Verschlechterung der Lärmsituation gegeben!“. 

Doch dass offenbar gepfuscht wurde, beteuert auch Wolfgang Obermeier aus Buch am Buchrain: „Ich hab ja jetzt auch diese Betonpiste vor dem Haus“, fängt er noch recht verhalten an. Jedoch wächst seine Stimme mit jeder Silbe und am Ende bekommt er großen Beifall von vielen Anwesenden. Die Begleiter von Obermaier haben sogar Fotos mitgebracht, die seine Worte untermauern: Betonplatten, die im nächtlichen Scheinwerferlicht sechs Querrillen zeigen, „und dann noch die Fugen selbst“, welche zusammengenommen ein "surrendes bis knatterndes Geräusch" erzeugen, so Obermeier. „Von wegen Flüsterasphalt“, von „singendem Asphalt“ spräche inzwischen sogar die Berufsfahrergewerkschaft, sagt CSU-Gemeinderat Peter Hartinger aus Obertaufkirchen: „Die bemitleiden uns hier richtiggehend, denn jeder Berufsfahrer merkt das doch auch im Fahrzeug!“, erklärt der Obertaufkirchener, der eine leitende Position bei einem führenden regionalen Unternehmen hat, welches Fahrzeuge verkauft.

„Man kann erst echte Lärmmessungen machen, wenn die Autobahn da ist!"

Die verantwortlichen Beamten beteuerten hingegen, dass das mehrere zigtausend Positionen umfassende Abnahmeprotokoll keine Mängel bei der Qualitätskontrolle aufwies. „Man kann ja schließlich erst echte Lärmmessungen machen, wenn die Autobahn da ist!“, entschuldigt der Präsident der Autobahndirektion Südbayern die Tatsache, warum bisher noch wenig geschehen ist. Allerdings sollen in den kommenden Monaten umfangreiche Messungen „von einem unabhängigen externen Unternehmen“(Kordon) durchgeführt werden und zudem lenkte die Regierungspräsidentin Maria Els bei der Bürgerforderung nach mehr Transparenz ein: ab kommender Woche sollen nun sämtliche Unterlagen, „die keine Betriebsgeheimnisse der beteiligten Firmen beinhalten“, über die Homepage der Regierung von Oberbayern veröffentlicht werden.

Der Unmut der Anwohner ging aber auch in Richtung der Politiker. So schätzten einige den großen Aufwand, den Marcel Huber(CSU, MdL) betrieben hatte, um den „Rattenkirchener Lärmgipfel“ Wirklichkeit werden zu lassen, mit Geringschätzung und wollten ihn zunächst gar nicht reden lassen. Gelächter kam gar im Saal auf, als der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer Grüße von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer(CSU) übermittelte, „mit dem ich heute morgen noch telefoniert habe“, so Mayer. „Sie müssen schon sehen, dass es inzwischen eine Online-Petition mit mehr als 13.000 Gegnern eines dauerhaften Tempolimits gibt; die machen uns von der anderen Seite Druck!“, war eines der Argumente, die Stephan Mayer vorbrachte, um aufkommende Unruhe im Saal zu beschwichtigen. Immer wieder musste Mayer moderierend eingreifen, wenn beispielsweise langjährige Gegner wieder die Trassendiskussion ins Spiel brachten: „Wir wollen doch jetzt über die Zukunft diskutieren“, so der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren des Öfteren.

Kompromissvorschlag fand Anklang

Ob die Forderung der Anwohner nach einem durchgängigen "Flüsterbetonbelag", zusätzlichen Schallschutzvorrichtungen und einer dauerhaften Geschwindigkeitsbegrenzung künftig nach den gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden müssen, wird die Regierung von Oberbayern und die Autobahndirektion Südbayern nun jedenfalls mittels Lärmschutzmessungen gründlich prüfen. 

Ein Kompromissvorschlag, der in den Reihen der Betroffenen großen Anklang fand, lautete, dass zumindest für Lkw die Geschwindigkeit dauerhaft begrenzt werden soll und ein durchgängiger Flüsterasphalt das bestehende Flickwerk aus Betonplatten und dem Asphalt ablösen soll. Dieser Asphalt hätte statistisch gesehen eine Senkung des Lärmpegels um 3dB im Vergleich zu Normalbelag zur Folge. Zur Frage der Kosten einer solchen Maßnahme und wer diese tragen müsste, wurde auf dem „Rattenkirchener Lärmgipfel“ keine Aussage getroffen.

Peter Becker

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